Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
Kornilow verfolgten die Bolschewiki ihre "besonderen Ziele", Suchanow spielt darauf an, daß sie sich schon in jener Zeit die Aufgabe gestellt hätten, das Verteidigungskomitee in ein Werkzeug der proletarischen Umwälzung zu verwandeln. Daß die revolutionären Komitees der Kornilowtage bis zu einem gewissen Grade Vorbilder jener Organe wurden, die später den Aufstand des Proletariats leiteten, ist unbestreitbar. Trotzdem mißt Suchanow den Bol-schewiki einen zu großen Weitblick bei, wenn er glaubt, sie hätten dieses Organisationsmoment vorausgesehen. Die "besonderen Ziele" der Bolschewiki bestanden darin, die Konterrevolution zu zerschmettern, wenn angängig die Versöhnler von den Kadetten zu trennen, möglichst große Massen unter die eigene Leitung zu sammeln, eine möglichst hohe Zahl revolutionärer Arbeiter zu bewaffnen. Aus diesen ihren Zielen machten die Bolschewiki kein Hehl. Die verfolgte Partei rettete die Regierung der Repressalien und der Verleumdung; doch errettete sie vor der militärischen Vernichtung, um sie desto sicherer politisch zu erschlagen.
    Die letzten Augusttage brachten wieder eine scharfe Verschiebung im Kräfteverhältnis, diesmal von rechts nach links. Die zum Kampfe aufgerufenen Massen stellten mühelos jene Lage wieder her, die die Sowjets vor der Julikrise innehatten. Von nun an ist das Schicksal der Sowjets wieder in ihren eigenen Händen. Die Macht kann von den Sowjets kampflos ergriffen werden. Dazu brauchen die Versöhnler nur das zu befestigen, was in der Wirklichkeit entstanden war. Die Frage ist nur: werden sie es wollen? ... In der Hitze erklären die Versöhnler, eine Koalition mit den Kadetten sei nicht mehr denkbar. Wenn dem so ist, so ist sie überhaupt undenkbar. Die Ablehnung einer Koalition kann jedoch nichts anderes bedeuten als den Übergang der Macht an die Versöhnler.
    Lenin erfaßt sofort das Wesen der neuen Situation, um aus ihm notwendige Schlußfolgerungen zu ziehen. Am 3. September schreibt er einen hervorragenden Artikel "Über Kompromisse". Die Rolle der Sowjets habe sich wiederum verändert, stellt er fest: Anfang Juli waren sie Kampforgane gegen das Proletariat, Ende August wurden sie Kampforgane gegen die Bourgeoisie. Die Sowjets haben wieder Truppen zu ihrer Verfügung erhalten. Die Geschichte bietet wiederum die Möglichkeit einer friedlichen Entwicklung der Revolution. Das sei eine ausnahmsweise seltene und wertvolle Möglichkeit: man müsse den Versuch machen, sie zu verwirklichen. Lenin verspottet nebenbei jene Phraseure, die jegliche Kompromisse als unzulässig betrachten: die Aufgabe bestehe darin, "über alle Kompromisse hinweg, insofern sie unvermeidlich sind", die eigenen Ziele und Aufgaben durchzuführen. "Ein Kompromiß unsererseits ist", sagt er, "unsere Rückkehr zu den Vor-Juliforderungen: alle Macht den Sowjets, eine den Sowjets verantwortliche Regierung aus Sozialrevolutionären und Menschewiki. Jetzt, und nur jetzt, vielleicht nur im ganzen während einiger Tage oder einer bis zwei Wochen, könnte eine solche Regierung vollständig friedlich geschaffen und gefestigt werden." Diese kurze Frist sollte die ganze Schärfe der Situation charakterisieren: den Versöhnlern sind gezählte Tage geblieben, ihre Wahl zwischen Bourgeoisie und Proletariat zu treffen.
    Die Versöhnler beeilten sich, den Leninschen Vorschlag als eine arglistige Falle abzuwehren. In Wirklichkeit enthielt der Vorschlag nicht eine Spur von List: überzeugt, daß seine Partei berufen sei, sich an die Spitze des Volkes zu stellen, macht Lenin einen offenen Versuch, den Kampf zu mildern durch Abschwächung des Widerstandes der Feinde angesichts der Unvermeidlichkeit.
    Die kühnen Wendungen Lenins, die sich stets aus der Veränderung der Situation selbst ergeben und unabänderlich die Einheit der strategischen Absicht bewahren, bilden eine unschätzbare Akademie für revolutionäre Strategie. Der Kompromißvorschlag hatte die Bedeutung eines Anschauungsunterrichts in erster Linie für die bolschewistische Partei selbst. Er zeigte, daß es für die Versöhnler trotz der Erfahrung mit Kornilow keine Rückkehr auf dem Weg der Revolution gab. Die Partei der Bolschewiki fühlte sich nunmehr endgültig als die einzige Partei der Revolution.
    Die Versöhnler lehnten es ab, die Rolle einer Transmission zu erfüllen, die die Macht aus den Händen der Bourgeoisie in die Hände des Proletariats überleitet, wie sie im März die Rolle einer Transmission gespielt hatten, die die

Weitere Kostenlose Bücher