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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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den am Tische Sitzenden die Hand zu drücken. Es kam die Reihe an uns [Bolschewiki], die wir in der Nähe beieinander saßen. Wir sahen uns an und verabredeten schnell, ihm die Hand nicht zu reichen. Eine theatralische Geste über den Tisch hinweg, - ich wich der mir dargebotenen Hand aus, und Kerenski ging mit vorgestreckter Hand, ohne unsere Hände zu finden, weiter." Die gleiche Behandlung fand das Regierungsoberhaupt auch am entgegengesetzten Flügel: bei den Kornilowianern. Aber außer Bolschewiki und Kornilowianern waren keine realen Kräfte mehr geblieben.
    Aus der ganzen Situation heraus gezwungen, Erklärungen über seine Rolle bei der Verschwörung abzugeben, verließ sich Kerenski auch diesmal zu sehr auf Improvisation. "Ich weiß, was sie wollten", versprach er sich, "denn ehe sie Kornilow aufsuchten, kamen sie zu mir und schlugen mir diesen Weg vor." Rufe links: "Wer kam? ... Wer schlug vor?" Erschrocken über die Resonanz seiner eigenen Worte, wurde Kerenski schnell zurückhaltender. Die politische Unterlage der Verschwörung enthüllte sich jedoch auch den weniger Weisen. Der ukrainische Versöhnler Porsch berichtete nach seiner Rückkehr in der Kiewer Rada: "Kerenski mißlang, seine Nichtbeteiligung am Kornilowaufstand zu beweisen." Aber das Regierungshaupt fügte sich mit seiner Rede noch einem anderen, nicht minder schweren Schlag zu. Als man in Beantwortung der allen überdrüssig gewordenen Phrasen - "Im Moment der Gefahr werden alle zusammenkommen und sich verständigen", und so weiter - ihm zurief: "Und die Todesstrafe?", verlor der Redner das Gleichgewicht und schrie zur Überraschung für alle und wohl auch für sich selbst: "Wartet zuerst ab, bis auch nur ein Todesurteil von mir, dem Oberkommandierenden, unterschrieben sein wird, und erst dann werde ich euch erlauben, mich zu verfluchen." An die Tribüne tritt ein Soldat heran und schreit ihm ins Gesicht: "Sie sind das Unglück der Heimat." So?!
    Wo doch er, Kerenski, bereit ist, den hohen Rang zu vergessen, den er einnimmt, um sich als Mensch mit der Beratung auseinanderzusetzen. "Aber der Mensch wird hier nicht von allen verstanden." Darum sagt er in der Sprache der Macht: "Jeder, der es wagen sollte ..." Ach, das hat man bereits in Moskau gehört, und Kornilow hat es dennoch gewagt.
    "War die Todesstrafe eine Notwendigkeit gewesen", fragte in seiner Rede Trotzki, "wie wagt er, Kerenski, zu sagen, er werde von ihr keinen Gebrauch machen? Hält er es aber für möglich, sich vor der Demokratie zu verpflichten, die Todesstrafe nicht anzuwenden, so ... verwandelt er deren Wiederherstellung in einen Leichtsinnsakt, der jenseits der Grenze des Verbrecherischen steht." Damit war der ganze Saal einverstanden, die einen schweigend, die anderen stürmisch. "Kerenski hatte durch sein Geständnis sowohl sich wie die Provisorische Regierung damals stark diskreditiert", sagt sein Kollege und Verehrer, der Gehilfe des Justizministers, Demjanow
    Nicht einer der Minister konnte etwas darüber aussagen, womit sich eigentlich die Regierung außer mit der Lösung der Fragen des eigenen Daseins beschäftigte. Wirtschaftliche Maßnahmen? Man konnte nicht eine einzige anführen. Friedenspolitik? "Ich weiß nicht", sagte der ehemalige Justizminister Sarudny, einer der Offenherzigsten, "ob die Provisorische Regierung in dieser Hinsicht etwas unternommen hatte, ich habe dies nicht gesehen." Verwundert beschwerte sich Sarudny darüber, daß "die ganze Macht in die Hand eines einzelnen Menschen geriet", auf dessen Wink Minister kamen und gingen. Zeretelli griff unvorsichtigerweise dieses Thema auf: "Die Demokratie mag sich bei sich beklagen, wenn ihrem Vertreter auf der Höhe der Kopf zu schwindeln begann." Aber gerade Zeretelli verkörperte in sich am vollständigsten jene Züge der Demokratie, die bonapartistische Machttendenzen erzeugten. "Warum hat Kerenski jenen Platz eingenommen, den er jetzt einnimmt?" erwiderte Trotzki, "die Vakanz für Kerenski wurde geschaffen durch die Schwäche und Unentschlossenheit der Demokratie ... Ich habe hier nicht einen Redner gehört, der die wenig beneidenswerte Ehre auf sich genommen hätte, das Direktorium oder dessen Vorsitzenden zu verteidigen ... " Nach einem Protestausbruch fährt der Redner fort: "Ich bedaure sehr, daß der Standpunkt, der jetzt im Saale so stürmischen Ausdruck findet, nicht seinen artikulierten Ausdruck auf dieser Tribüne gefunden hat. Nicht ein Redner ist hierhergekommen und hat uns gesagt: warum

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