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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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sozialistischen Regierung sich zu beteiligen, lehne er ab. Danach läuft die Aufgabe darauf hinaus, die unglückselige Beratung nach Hause zu schicken und sie durch eine Institution zu ersetzen, in der Anhänger der bedingungslosen Koalition in Mehrheit wären. Uni das nötige Resultat zu erreichen, ist nur die Kenntnis der arithmetischen Elementarregeln erforderlich. Namens des Präsidiums bringt Zeretelli in der Beratung eine Resolution ein, wonach das Vertretungsorgan berufen sei, "bei der Schaffung einer Regierung mitzuhelfen", und die Regierung müsse "dieses Organ sanktionieren"; die Träume von der Zähmung Kerenskis sind somit ins Archiv getan. Der in erforderlicher Proportion durch Bourgeoisievertreter ergänzte künftige Sowjet der Republik, oder das Vorparlament, wird die Aufgabe haben, eine Koalitionsregierung mit Kadetten zu sanktionieren. Zeretellis Resolution bedeutet das gerade Gegenteil davon, was die Beratung gewollt und das Präsidium soeben beschlossen hat. Doch sind Zusammenbruch, Zerfall, Demoralisation so groß, daß die Versammlung die ihr angebotene, etwas verschleierte Kapitulation mit 829 gegen 106 Stimmen bei 69 Stimmenthaltungen annimmt. "Also vorläufig habt ihr gesiegt, ihr Herren Versöhnler und Kadetten", schrieb die Zeitung der Bolschewiki. "Macht euer Spiel. Geht an die neue Erfahrung. Sie wird die letzte sein - dafür bürgen wir euch."
    "Die Demokratische Beratung", sagt Stankewitsch, "verblüffte durch äußersten Wirrwarr der Gedanken sogar ihre eigenen Initiatoren." Bei den Versöhnlerparteien "völlige Uneinigkeit"; Rechts, bei der Bourgeoisie, "Murren des Unwillens, flüsternd weiter getragene Verleumdung, langsames Unterwühlen der letzten Reste der Regierungsautorität ... Und nur links Konsolidierung der Kräfte und der Stimmung". Das sagt ein Gegner, das bezeugt ein Feind, der im Oktober auf die Bolschewiki schießen wird. Die Petrograder Parade der Demokratie erwies sich für die Versöhn1er als das, was für Kerenski die Moskauer Parade der nationalen Einheit gewesen war: öffentliches Bekenntnis der Unzulänglichkeit, eine Truppenschau des politischen Marasmus. Hatte die Staatsberatung den Anstoß zu Kornilows Aufstand geliefert, so säuberte die Demokratische Beratung endgültig den Weg für den Aufstand der Bolschewiki.
    Bevor sie auseinanderging, sonderte die Beratung aus ihrer Mitte ein ständiges Organ ab durch Delegierung von 15 Prozent der Gesamtstärke jener Gruppe, insgesamt etwa dreihundertundfünfzig Delegierte. Die Institutionen der besitzenden Klassen sollten außerdem einhundertundzwanzig Plätze erhalten. Die Regierung machte von sich aus eine Zugabe von zwanzig Plätzen für die Kosaken. Alles zusammen sollte den Rat der Republik oder das Vorparlament bilden, dem es oblag, bis zur Einberufung der Konstituierenden Versammlung die Nation zu vertreten.
    Die Stellung der Bolschewiki zum Rat der Republik verwandelte sich für sie sogleich in eine akute taktische Frage: hineingehen oder nicht hineingehen? Der Boykott parlamentarischer Institutionen durch Anarchisten und Halbanarchisten ist von dem Bestreben diktiert, die eigene Ohnmacht nicht einer Nachprüfung seitens der Massen auszusetzen und somit das Anrecht zu wahren auf passiven Hochmut, von dem weder dem Feinde kalt noch dem Freunde warm ist. Dem Parlament darf eine revolutionäre Partei nur dann den Rücken kehren, wenn sie sich zur unmittelbaren Aufgabe den Sturz des bestehenden Regimes stellt. In den Jahren zwischen den zwei Revolutionen hatte Lenin mit großer Gründlichkeit die Probleme des revolutionären Parlamentarismus untersucht.
    Das auf höchsten Privilegien beruhende Parlament kann Ausdruck der tatsächlichen Kräfteverhältnisse der Klassen sein und war es in der Geschichte mehr als einmal: dies waren zum Beispiel die Reichsdumas nach der niedergeschlagenen Revolution von 1905 bis 1907. Solche Parlamente boykottieren heißt das wirkliche Kräfteverhältnis boykottieren, statt es zugunsten der Revolution zu verändern. Zeretelli-Kerenskis Vorparlament entsprach aber nicht im geringsten dem Kräfteverhältnis. Es war geboren aus Ohnmacht und List der Spitzen, aus dem Glauben an die Mystik der Institutionen, dem Fetischismus der Form, und aus der Hoffnung, diesem Fetischismus den unermeßlich stärkeren Feind zu unterwerfen und ihn damit zu disziplinieren.
    Um die Revolution zu zwingen, mit gebeugtem Rücken und gesenktem Haupt gehorsam in das Joch des Vorparlaments zu gehen, mußte man sie

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