Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Verlesung der bolschewistischen Deklaration durch Trotzki löste die Erwähnung der Notwendigkeit einer sofortigen Bewaffnung der Arbeiter auf den Bänken der Mehrheit beharrliche Zwischenrufe aus: "Wozu, wozu?" Das war noch die gleiche Note von Unruhe und Provokation. Wozu? "Um eine wirkliche Schutzwehr gegen die Konterrevolution zu schaffen", antwortet der Redner. Aber nicht nur dazu. "Ich sage Ihnen im Namen unserer Partei und der mit ihr gehenden proletarischen Massen, daß die bewaffneten Arbeiter ... das Land der Revolution gegen die Truppen des Imperialismus mit solchem Heroismus verteidigen werden, wie ihn die russische Geschichte noch nicht gekannt hat ... " Zeretelli charakterisierte dieses Versprechen, das den Saal scharf teilte, als hohle Phrase. Die Geschichte der Roten Armee hat ihn später widerlegt.
Jene heißen Stunden, da die Versöhnlerhäupter eine Koalition mit den Kadetten verworfen hatten, lagen weit zurück: ohne Kadetten erwies sich eine Koalition als unmöglich. Man wird doch nicht etwa selbst die Macht übernehmen! "Wir hätten die Macht bereits am 27. Februar ergreifen können", philosophierte Skobeljew, "doch wir verwandten die ganze Kraft unseres Einflusses darauf, den bürgerlichen Elementen zu helfen, sich von der Verwirrung zu erholen ... und zur Macht zu kommen." Weshalb haben dann diese Herren die von der Verwirrung erholten Kornilowianer gehindert, die Macht zu ergreifen? Eine rein bürgerliche Macht, erklärte Zeretelli, ist noch nicht möglich: das würde den Bürgerkrieg hervorrufen. Kornilow mußte man niederschlagen, damit er durch sein Abenteuer die Bourgeoisie nicht hinderte, etappenweise zur Macht zu kommen. "Jetzt, wo die revolutionäre Demokratie als Siegerin hervorgegangen, ist der Augenblick für eine Koalition besonders günstig."
Die politische Philosophie des Genossenschaftlertums drückte dessen Haupt, Berkenheim, aus: "Ob wir wollen oder nicht, die Bourgeoisie ist jene Klasse, der die Macht gehören wird." Der alte Volkstümler-Revolutionär Minor flehte die Beratung an, einen einmütigen Beschluß zugunsten der Koalition anzunehmen. Andernfalls, "darüber darf man sich nicht täuschen: werden wir schlachten". "Wen?" schrie man von den linken Plätzen. "Wir werden einander schlachten", schloß, von düsterem Schweigen begleitet, Minor. Aber nach Meinung der Kadetten war ja der Regierungsblock notwendig für den Kampf gegen das "anarchistische Holliganentum" der Bolschewiki: "darin eigentlich bestand das Wesen der Koalitionsidee", erklärte Miljukow ganz offenherzig. Während Minor hoffte, die Koalition würde gestatten, einander nicht abzuschlachten, rechnete im Gegenteil Miljukow ganz fest damit, die Koalition würde die Möglichkeit schaffen, mit vereinten Kräften die Bolschewiki abzuschlachten.
Bei den Debatten über die Koalition verlas Rjasanow jenen Leitartikel der Rjetsch vom 29. August, den Miljukow im letzten Moment zurückgezogen hatte, wodurch in der Zeitung ein weißer Fleck entstand: "Jawohl, wir fürchten uns nicht zu sagen, daß General Kornilow die gleichen Ziele verfolgte, die wir für die Rettung der Heimat als notwendig erachten." Das Zitat machte Eindruck. "Oh, die werden retten!" tönte es aus der linken Hälfte der Versammlung. Doch die Kadetten finden Verteidiger: der Leitartikel war ja nicht gedruckt worden! Außerdem seien nicht alle Kadetten für Kornilow, man müsse die Sünder von den Gerechten unterscheiden können.
"Es wird gesagt, man dürfe nicht die gesamte Kadettenpartei beschuldigen, sie sei Komplizin der Kornilowschen Meuterei gewesen", antwortete Trotzki. "Nicht zum ersten Male hat hier Snamenski uns Bolschewiki gesagt: ihr habt protestiert, als wir eure gesamte Partei für die Bewegung des 3. bis 5. Juli verantwortlich machten; wiederholt nicht die gleichen Fehler, macht nicht alle Kadetten für Kornilows Meuterei verantwortlich. Doch dieser Vergleich beruht meiner Ansicht nach auf einem kleinen Rechenfehler: als man die Bolschewiki beschuldigte, sie hätten die Bewegung vom 3. bis 5. Juli hervorgerufen, ging es nicht darum, sie ins Ministerium, sondern sie ins "Kresty" einzuladen. Den Unterschied wird, hoffe ich, auch (Justizminister) Sarudny nicht bestreiten. Wir sagen ebenfalls: Wollt ihr die Kadetten wegen der Kornilowbewegung ins Gefängnis schleppen, dann tut es nicht in Bausch und Bogen, sondern untersucht jeden Kadetten einzeln von allen Seiten." (Lachen; Rufe: "Bravo !") "Handelt es sich aber darum, die
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