Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
"Armeeorganisationen, sogar ganze Truppenteile treffen Entscheidungen in sozialen und ökonomischen Fragen, zwingen (?) die Bauern zu Enteignung und Abholzung des Waldes, beteiligen sich zum Teil selbst an Plünderungen ... Die örtlichen Truppenteile weigern sich gegen die Gewalttaten einzuschreiten" ... So zerstörte der Aufstand des Dorfes den letzten Zusammenhalt in der Armee. Es konnte nicht die Rede davon sein, daß die Armee unter den Bedingungen des Bauernkrieges, an dessen Spitze die Arbeiter standen, es dulden würde, gegen den Aufstand in den Städten sich verwenden zu lassen. Erst von den Arbeitern und Soldaten erfahren die Bauern über die Bolschewiki das Neue, was ihnen die Sozialrevolutionäre nicht gesagt hatten. Lenins Parolen und sein Name dringen ins Dorf. Die sich häufenden Beschwerden über die Bolschewiki tragen jedoch in vielen Fällen erdichteten und aufgebauschten Charakter: die Gutsbesitzer hoffen dadurch eher Hilfe zu bekommen. "Im Ostrower Kreise herrscht völlige Anarchie infolge der Propaganda des Bolschewismus." Aus dem Ufaer Gouvernement: "Das Mitglied des Dorfkomitees, Wassiljew, verbreitet das Programm der Bolschewiki und erklärt offen, die Gutsbesitzer würden gehängt werden." Der Nowgoroder Gutsbesitzer Polonnik, der um "Schutz gegen Plünderungen" nachsucht, unterläßt hinzuzufügen: "Die Exekutivkomitees sind überfüllt mit Bolschewiki", das bedeutet: mit Feinden der Gutsbesitzer. "Im August", erzählt der Simbirsker Bauer Sumorin, "reisten durch die Dörfer Arbeiter, agitierten für die Partei der Bolschewiki, erzählten deren Programm." Der Untersuchungsrichter des Sebe-scher Kreises leitet ein Strafverfahren ein gegen die aus Petrograd eingetroffene Weberin Tatjana Michajlowa, sechsundzwanzig Jahre alt, die in ihrem Dorf aufrief "zur Niederwerfung der Provisorischen Regierung und Lenins Taktik verherrlichte". Im Smolensker Gouvernement begann man Ende August, wie der Bauer Kotow berichtet. "sich für Lenin zu interessieren und auf Lenins Stimme zu horchen" ... Doch in die Gemeindesemstwos werden noch immer in gewaltiger Überzahl Sozialrevolutionäre gewählt.
Die bolschewistische Partei ist bemüht, an den Bauer näher heranzugehen. Am 10. September fordert Newski vom Petrograder Komitee die Herausgabe einer Bauernzeitung: "Die Sache muß so angefaßt werden, daß man nicht dasselbe erlebt, was die französische Kommune erlebt hat, als die Bauernschaft Paris nicht verstand, Paris nicht die Bauernschaft." Die Zeitung Bednota (Armut) begann bald zu erscheinen. Aber die direkte Parteiarbeit unter der Bauernschaft blieb noch immer geringfügig. Die Stärke der bolschewistischen Partei lag nicht in technischen Mitteln, nicht im Apparat, sondern in der richtigen Politik. Wie die Luftströme den Samen überallhin tragen, so trugen die Revolutionsstürme überallhin Lenins Ideen.
"Gegen September", erinnert sich der Twerer Bauer Worobjew, "treten in den Versammlungen immer häufiger und kühner zur Verteidigung der Bolschewiki nicht mehr nur Frontler, sondern auch arme Bauern selbst auf" ... "Unter der Armut und einigen Mittelbauern", bestätigt der Simbirsker Bauer Sumorin, "verschwindet Lenins Name nicht von den Lippen; nur von Lenin wird gesprochen." Der Nowgoroder Bauer Grigorjew erzählt, wie ein Sozialrevolutionär in der Gemeinde die Bolschewiki "Expropriateure" und "Verräter" nannte. "Wie tobten da die Bauern: "Nieder mit dem Hund, steinigt ihn! Erzähl uns keine Märchen, - wo ist der Boden? Genug! Her mit den Bolschewiken!"" Es ist allerdings möglich, daß diese Episode - und solcher und ähnlicher gab es nicht wenig - bereits in die Zeit nach dem Oktober fällt: im Gedächtnis der Bauern sitzen Tatsachen fest, ist aber die Chronologie schwach.
Den Soldaten Tschinenow, der sein Dorf im Orlower Gouvernement eine Kiste bolschewistischer Literatur brachte, hatte das Heimatdorf unfreundlich empfangen: sicherlich deutsches Gold. Im Oktober jedoch "zählte die Gemeindezelle siebenhundert Mitglieder, viele Gewehre erhoben sich stets zur Verteidigung der Sowjetmacht". Der Bolschewik Wratschew erzählt, wie die Bauern des rein agrarischen Woronescher Gouvernements, "erwacht aus dem sozialrevolutionären Rausch, begannen, sich für unsere Partei zu interessieren, infolgedessen hatten wir bereits nicht wenig Dorf-und Gemeindezellen, Abonnenten für unsere Zeitungen und empfingen viele Bauernabgesandte im engen Raum unseres Komitees". Im Smolensker Gouvernement waren, nach
Weitere Kostenlose Bücher