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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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linken Sozialrevolutionäre: diese ephemere Partei wird zur reflektierenden und schwankenden Form des Dorfbolschewismus, provisorische Brücke vom Bauernkrieg zur proletarischen Umwälzung.
    Die Agrarrevolution bedurfte eigener lokaler Organe. Wie sahen diese aus? Auf dem Lande existierten Organisationen verschiedener Typen: staatliche, wie die Gemeinde-, Land- und Verpflegungsexekutivkomitees; gesellschaftliche, wie die Sowjets; rein politische, wie die Parteien, und schließlich Organe der Selbstverwaltung, in Gestalt der Gemeinde-semstwos. Bauernsowjets vermochten sich zu entwickeln nur im Maßstabe des Gouvernements, teilweise des Kreises; Gemeindesowjets gab es nur vereinzelt. Gemeindesemstwos faßten schwer Fuß. Dagegen wurden die Land- und Exekutivkomitees, dem Plane nach Staatsorgane, so seltsam das auf den ersten Blick scheinen mag, zu Organen der Bauernrevolution.
    Das oberste Landkomitee, bestehend aus Beamten, Gutsbesitzern, Professoren, gelehrten Agronomen, sozialrevolutionären Politikern; mit einer Beimischung zweifelhafter Bauern, war seinem Wesen nach die Zentralbremse der Agrarrevolution. Die Gouvernementskomitees hörten nicht auf, Leiter der Regierungspolitik zu sein. Die Komitees in den Kreisen schaukelten zwischen den Bauern und der Obrigkeit. Dagegen wurden die Gemeindekomitees, von den Bauern gewählt und an Ort und Stelle vor den Augen des Dorfes arbeitend, Werkzeuge der Agrarbewegung. Der Umstand, daß die Komiteemitglieder sich gewöhnlich zu den Sozialrevolutionären zählten, änderte nichts an der Sache: sie richteten sieh nach der Muschikhütte und nicht nach dem Adelsgutshof. Die Bauern schätzen besonders hoch den staatlichen Charakter ihrer Landkomitees, da sie in ihm eine Art Freibrief auf den Bürgerkrieg erblickten.
    "Die Bauern sagen, sie anerkennen niemand außer dem Gemeindekomitee", klagt bereits im Mai einer der Milizchefs des Saransker Kreises, "alle Kreis- und Staatskomitees hingegen arbeiten angeblich den Bodenbesitzern in die Hand." Nach den Worten des Nischegoroder Kommissars "enden die Versuche einiger Gemeindekomitees, gegen die eigenmächtigen Handlungen der Bauern anzukämpfen, fast immer mit Mißerfolg und führen zur Absetzung der gesamten Mitglieder" ... "Die Komitees waren stets", nach den Worten des Pskower Bauern Denisow, "auf seiten der Bauernbewegung gegen die Gutsbesitzer, da man in sie den revolutionärsten Teil der Bauernschaft und Frontsoldaten hineinwählte."
    Die Kreis- und besonders die Gouvernementskomitees wurden von der Beamten-"Intelligenz" geleitet, die danach strebte, friedliche Beziehungen zu den Gutsbesitzern aufrechtzuerhalten. "Die Bauern sahen", schreibt der Moskauer Bauer Jurkow, "daß es der gleiche Pelz ist, nur gewendet, die gleiche Macht, nur unter neuem Namen." "Man kann", meldet der Kursker Kommissar, "die Neigung ... zu Neuwahlen jener Kreiskomitees beobachten, die unentwegt die Verfügungen der Provisorischen Regierung durchführen." Aber an das Kreiskomitee zu gelangen war dem Bauern sehr schwer gemacht: die politische Verbindung der Dörfer und Gemeinden sicherten Sozialrevolutionäre, so daß die Bauern gezwungen waren, sich der Partei zu bedienen, deren Hauptmission im Wenden des alten Pelzes bestand.
    Die auf den ersten Blick erstaunliche Kühle der Bauernschaft für die Märzsowjets hatte in Wirklichkeit tiefe Ursachen. Der Sowjet repräsentiert im Gegensatz zum Landkomitee keine Spezial-, sondern eine Universalorganisation der Revolution. Doch auf dem Gebiet der allgemeinen Politik ist der Bauer nicht imstande, auch nur einen Schritt ohne Führung zu tun. Die Frage ist, woher sie kommt. Die bäuerlichen Gouvernements- und Kreissowjets wurden errichtet auf Initiative und zum großen Teil mit Mitteln der Genossenschaft, nicht als Organe der Bauernrevolution, sondern als Werkzeuge zur konservativen Bevormundung der Bauernschaft. Das Dorf duldete über sich die rechtssozialrevolutionäre Sowjets, als Schild gegen die Regierung. Zu Hause bei sich zog es die Landkomitees vor.
    Um das Dorf zu hindern, sich im Kreise "rein bäuerlicher Interessen" zu bewegen, drängte die Regierung auf Schaffung demokratischer Semstwos. Schon dies allein mußte den Bauern Grund sein, die Ohren zu spitzen. Die Wahlen mußte man häufig geradezu aufzwingen. "Es kämen Fälle von Ungesetzlichkeiten vor", meldet der Pensaer Kommissar, "die zur Sprengung der Wahlen führten." Im Gouvernement Minsk verhafteten die Bauern den Vorsitzenden der

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