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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Vertrauen zu Regierung und Partei. So wurde die Aufschwemmung der sozialrevolutionären Organisationen auf dem Lande todbringend für diese universelle Partei, die von unten her meuterte und von oben unterdrückte.
    In der Versammlung der Militärischen Organisation vom 30. Juli in Moskau sagte ein Frontdelegierter, selbst Sozialrevolutionär: Wenn auch die Bauern sich noch immer zu den Sozialrevolutionären zählen, zwischen ihnen und der Partei ist dennoch bereits ein Riß entstanden. Die Soldaten bestätigten: unter dem Einfluß der sozialrevolutionären Agitation verhalten sich die Bauern noch immer feindlich gegen die Bolschewiki, doch die Fragen des Bodens und der Macht entscheiden sie in Wirklichkeit auf bolschewistische Art. Der Bolschewik Powolschski, der im Wolgagebiet arbeitete, bezeugt, daß die achtbarsten Sozialrevolutionäre, Teilnehmer der Bewegung von 1905, sich immer mehr zurückgedrängt fühlten: "die Bauern nannten sie "die Alten", bezeigten ihnen äußerlich Achtung, stimmten jedoch ab nach eigenem Kopf". Abzustimmen und zu handeln "nach eigenem Kopf" lehrten das Dorf Arbeiter und Soldaten.
    Die Einschätzung des sozialrevolutionären Einflusses der Arbeiter auf die Bauernschaft ist nicht möglich: er hatte einen ständigen, molekularen, alles durchdringenden und deshalb unwägbaren Charakter. Das gegenseitige Durchdringen wurde dadurch erleichtert, daß ein bedeutender Teil industrieller Unternehmen in ländlichen Gegenden untergebracht war. Aber sogar die Arbeiter Petrograds, der europäischsten der Städte, bewahrten nahe Beziehungen zu den heimatlichen Dörfern. Die während der Sommermonate angewachsene Arbeitslosigkeit und die Aussperrungen der Unternehmer warfen viele Tausende Arbeiter aufs Land hinaus: ihre Mehrzahl wurde Agitatoren und Anführer.
    Im Mai-Juni entstehen in Petrograd Arbeiter-Landsmannschaften nach Gouvernements, Kreisen und sogar Dorfgemeinden. Ganze Spalten der Arbeiterpresse sind Ankündigungen von Landsmannschaftsversammlungen gewidmet, wo Berichte über Fahrten ins Dorf gegeben, den Delegierten Anweisungen entworfen, Geldmittel für die Agitation g?-sammelt werden. Kurz vor dein Umsturz vereinigten sich die Landsmannschaften um ein besonderes Zentralbüro unter Leitung der Bolschewiki. Die Landsmannschaftsbewegung dehnte sich bald auf Moskau, Twer und wohl auch auf eine Reihe anderer Industriestädte aus.
    Jedoch im Sinne der unmittelbaren Beeinflussung des Dorfes hatten noch größere Bedeutung die Soldaten. Erst unter den künstlichen Bedingungen der Front oder der Stadtkaserne kamen die jungen Bauern, bis zu einem gewissen Grade ihre Abgesondertheit überwindend, in unmittelbare Berührung mit Problemen von nationalem Maßstabe. Jedoch machte sich die politische Unselbständigkeit auch hier fühlbar. Während sie unausweichbar unter Leitung patriotischer und konservativer Intellektueller gerieten und bestrebt waren, sich von ihnen zu befreien, versuchten die Bauern, in der Armee sich gesondert von den übrigen sozialen Gruppen zusammenzuschließen. Die Behörden sahen solche Bestrebungen ungern, das Kriegsministerium setzte Hindernisse entgegen, die Sozialrevolutionäre kamen ihnen nicht zu Hilfe, - die Sowjets der Bauerndeputierten gewannen in der Armee schwer Boden. Selbst unter den gütistigsten Bedingungen vermag der Bauer nicht seine erdrückende Quantität in politische Qualität umzusetzen!
    Nur in den großen revolutionären Zentren, unter direkter Einwirkung der Arbeiter, gelang es den Sowjets der Bauernsoldaten, eine nennenswerte Tätigkeit zu entwickeln. So schickte der Bauernsowjet in Petrograd von April 1917 bis zum 1. Januar 1918 935 Agitatoren aufs Land, die mit besonderen Mandaten ausgestattet waren; etwa ebensoviele reisten ohne Mandate. Die Delegierten besuchten 65 Gouvernements. In Kronstadt entstanden unter den Matrosen und Soldaten, nach dem Beispiel der Arbeiter, Landsmannschaften, die den Delegierten "Berechtigungs"-scheine für Freifahrt auf Eisenbahn und Schiff ausstellten. Privatbahnen anerkannten diese Scheine widerspruchslos, auf den Staatsbahnen ergaben sich Konflikte.
    Die offiziellen Delegierten der Organisationen waren immerhin nur Tropfen im Bauernozean. Unermeßlich größer war die Arbeit jener Hunderttausende und Millionen Soldaten, die die Front- und Hinterlandgarnisonen eigenmächtig verließen und in ihren Ohren die kräftigen Parolen der Meetingsreden davontrugen. Die Schweiger an der Front wurden zu Hause auf dem Dorfe zu

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