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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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ukrainische Bauernschaft hatte in der Vergangenheit aus dem Grunde nationale Forderungen nicht erhoben, aus dem sie sich überhaupt nicht bis zur Politik erhoben hatte. Das Hauptverdienst der Februarumwälzung, vielleicht das einzige, aber völlig hinreichende, bestand gerade darin, daß es den unterdrücktesten Klassen und Nationalitäten Rußlands endlich die Möglichkeit gegeben hatte, laut ihre Stimme zu erheben. Das politische Erwachen der Bauernschaft konnte aber, nicht anders vor sich gehen als vermittels der eigenen Sprache mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen in bezug auf Schule, Gericht, Selbstverwaltung. Sich dem zu widersetzen, hätte den Versuch bedeutet, die Bauernschaft in das Nichtsein zurückzustoßen.
    Die nationale Verschiedenheit von Stadt und Land äußerte sich empfindlich auch durch die Sowjets als vorwiegend städtische Organisationen. Unter Führung der Versöhnlerparteien ignorierten die Sowjets in der Regel die nationalen Interessen der Stammbevölkerung. Das war einer der Gründe für die Schwäche der ukrainischen Sowjets. Die Sowjets in Riga und Reval dachten nicht an die Interessen der Letten und Esten. Der Versöhnlersowjet in Baku vernachlässigte die Interessen der turkmenischen Stammbevölkerung. Unter falscher Flagge des Internationalismus führten die Sowjets nicht selten einen Kampf gegen den defensiven ukrainischen oder muselmanischen Nationalismus und deckten die unterdrückenden Russifizierungsmethoden der Städte. Es wird nicht wenig Zeit vergehen, auch unter der Herrschaft der Bolschewiki, bis die Sowjets der Randgebiete gelernt haben, die Sprache des Dorfes zu sprechen.
    Die durch Natur und Ausbeutung niedergehaltenen Fremdstämmigen Sibiriens verhinderte ihre ökonomische und kulturelle Primitivität überhaupt, sich auf jene Stufe zu erheben, wo nationale Ansprüche beginnen. Wodka, Fiskus und aufgezwungene Orthodoxie waren hier von altersher Haupthebel des Staatsprinzips. Jene Krankheit, die die Italiener die französische und die Franzosen die neapolitanische nennen, hieß bei den sibirischen Völkern die russische: das zeigt, aus welchen Quellen die Samen der Zivilisation flossen. Die Februarrevolution war nicht bis hierher vorgedrungen. Noch lange werden die Jäger und Renntierzüchter der Polarebene auf einen Lichtschimmer warten müssen.
    Die Völker und Stämme an der Wolga, im Nordkaukasus und in Zentralasien, durch die Februarumwälzung zum ersten Male aus ihrem prähistorischen Dasein erwacht, hatten weder eine nationale Bourgeoisie noch ein Proletariat gekannt. Über den Bauern- oder Hirtenmassen lagerte sich aus deren obersten Schichten eine dünne Zwischenschicht Intellektueller ab. Bevor man zum Programm der nationalen Selbstverwaltung aufsteigen konnte, wurde hier der Kampf geführt um die Fragen des eigenen Alphabets, eigenen Lehrers, mitunter - des eigenen Geistlichen. Diese - am meisten Unterdrückten mußten sich durch bittere Erfahrung überzeugen, daß die aufgeklärten Herren des Staates ihnen nicht freiwillig erlauben würden, sich hochzurichten. Die Rückständigsten der Rückständigen waren gezwungen, die revolutionärste Klasse als Verbündeten zu suchen. So bahnten sich mittels der linken Elemente ihrer jungen Intelligenz die Wotjaken, Tschuwaschen, Syrjanen, die Völker Dagestans und Turkestans Wege zum Bolschewismus.
    Die Bestimmung der Kolonialbesitzungen, besonders in Zentralasien, veränderte sich zusammen mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Zentrums, das von direktem und offenem Raub, auch auf dem Handelsgebiete, zu verschleierte-ren Methoden überging, indem die asiatischen Bauern in Lieferanten industriellen Rohstoffs, hauptsächlich der Baumwolle, verwandelt wurden. Die hierarchisch organisierte Ausbeutung, die die Barbarei des Kapitalismus mit der Barbarei des patriarchalischen Gemeinwesens verband, hielt erfolgreich die asiatischen Völker in äußerster nationaler Demütigung. Das Februarregime hatte hier alles beim alten gelassen.
    Die unter dem Zarismus den Baschkiren, Burjaten, Kirgisen und anderen Nomaden weggenommenen besseren Landstriche blieben in den Händen der Gutsbesitzer und reichen russischen Bauern, angesiedelt als kolonisatorische Oasen unter der einheimischen Bevölkerung. Das Erwachen des Geistes nationaler Unabhängigkeit bedeutete hier vor allem Kampf gegen die Kolonisatoren, die ein künstliches System von Streuländern geschaffen und die Nomaden zu Hunger und Aussterben verurteilt hatten. ihrerseits

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