Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
verteidigten die Eingewanderten wütend die Einheit Rußlands gegen den "Separatismus" der Asiaten, das heißt: die Unantastbarkeit ihres Raubes. Der Haß der Kolonisatoren gegen die Bewegung der Eingeborenen nahm zoologische Formen an. In Transbaikalien gingen unter Volldampf Vorbereitungen zu Burjatenpogromen unter Leitung von März-Sozialrevolutionären, die sich aus Gemeindeschreibern und von der Front zurückgekehrten Unteroffizieren rekrutierten.
In ihrem Bestreben, solange wie möglich die alte Ordnung aufrechtzuerhalten, appellierten alle Ausbeuter und Unterdrücker in den kolonisierten Gebieten von nun an an die souveränen Rechte der Konstituierenden Versammlung: mit dieser Phraseologie rüstete sie die Provisorische Regierung aus, die in ihnen die beste Stütze fand. Andererseits riefen auch die privilegierten Spitzen der unterdrückten Völker immer häufiger den Namen der Konstituierenden Versammlung an. Sogar die muselmanische Geistlichkeit, die über die erwachten Bergvölker und -stämme des Nordkaukasus das grüne Banner Mohammeds erhoben hatte, bestand in allen Fällen, wo der Druck von unten sie in schwierige Lage brachte, auf Vertagung der Frage "bis zur Konstituierenden Versammlung". Das wurde die Losung von Konservativismus, Reaktion, eigennützigen Interessen und Privilegien in allen Teilen des Landes. Die Appellation an die Konstituierende Versammlung bedeutete: hinziehen und Zeit gewinnen. Das Hinziehen bedeutete: Kräfte sammeln und die Revolution erdrosseln.
In die Hände der Geistlichkeit oder der feudalen Aristokratie geriet jedoch die Führung nur in der ersten Zeit, nur bei den rückständigen Völkern, fast nur bei den Muselmanen. Im allgemeinen vertraten die nationale Bewegung auf dem Lande begreiflicherweise Dorflehrer, Gemeindeschreiber, untere Beamte und Offiziere, zum Teil Kaufleute. Neben der russischen oder russifizierten Intelligenz aus den solideren und gesicherten Elementen entstand in den Randstädten bereits eine andere Schicht, eine jüngere, durch Abstammung mit dem Dorfe eng verbunden, die keinen Zutritt zum Tische des Kapitals hatte und naturgemäß die politische Vertretung der nationalen, teils auch der sozialen Interessen der bäuerlichen Kernmasse übernahm.
Den russischen Versöhnlern auf der Linie nationaler Ansprüche feindlich gegenüberstehend, gehörten die Versöhnler der Randgebiete zum gleichen Grundtypus und trugen in den meisten Fällen sogar die gleichen Bezeichnungen. Ukrainische Sozialrevolutionäre und Sozialdemokraten, georgische und lettische Menschewiki, litauische "Trudowiki" waren, gleich ihren großrussischen Namensvettern, bestrebt, die Revolution im Rahmen des bürgerlichen Regimes festzuhalten. Aber die äußerste Schwäche der einheimischen Bourgeoisie zwang Menschewiki und Sozialrevolutionäre, hier nicht in eine Koalition zu gehen, sondern die Staatsmacht in die eigenen Hände zu nehmen. Genötigt, auf dem Gebiete der Agrar- und Arbeiterfrage weiterzugehen als die Zentralmacht, waren die Versöhnler der Randgebiete im Vorteil, da sie in Armee und Land als Gegner der Provisorischen Koalitionsregierung auftraten. Das alles genügte, wenn nicht, um im Schicksal der russischen Versöhnler und der der Randgebiete einen Unterschied zu schaffen, so doch, um den Unterschied im Tempo ihres Aufstiegs und Niedergangs zu bestimmen.
Die georgische Sozialdemokratie führte hinter sich nicht nur die bettelarme Bauernschaft des kleinen Georgiens, sondern sie erhob auch, nicht ohne gewissen Erfolg, Anspruch auf Führung der "revolutionären Demokratie" ganz Rußlands. In den ersten Revolutionsmonaten betrachteten die Spitzen der georgischen Intelligenz Georgien nicht als nationales Vaterland, sondern als die Gironde, die gesegnete Südprovinz, berufen, das ganze Land mit Führern zu versorgen. In der Moskauer Staatsberatung rühmte sich einer der angesehenen georgischen Menschewiki, Tschchenkeli, damit, daß die Georgier sogar unter dem Zarismus im Glück und Unglück zu sagen pflegten: "das einige Vaterland - Rußland". "Was ist von der georgischen Nation zu sagen?" fragte der gleiche Tschchenkeli einen Monat später in der Demokratischen Beratung. "Sie steht völlig zu Diensten der großen russischen Revolution." Und in der Tat: die georgischen Versöhnler, wie auch die jüdischen, waren stets der großrussischen Bürokratie "zu Diensten", wenn es hieß, die nationalen Ansprüche einzelner Gebiete zu mäßigen oder zu bremsen.
Das ging jedoch nur so
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