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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Hand zu erheben. "Keine Hand erhob sich; nun ging die Gruppe, die mich zum Automobil begleitet hatte, mit unzufriedener Miene auseinander. Trotzki sagte, glaube ich: "Bürger Tschernow, es hindert Sie niemand, frei zurückzukehren" ... Das Gesamtbild hinterließ bei mir keinen Zweifel darüber, daß es sich hier um einen ohne Wissen der Gesamtmasse der Arbeiter und Matrosen im voraus von Dunkelmännern angestifteten Versuch handelte, nach herauszurufen und zu verhaften."
    Eine Woche vor seiner Verhaftung sagte Trotzki in einer vereinigten Sitzung der Exekutivkomitees: "Diese Tatsachen werden in die Geschichte eingehen, und wir wollen versuchen, sie so festzuhalten, wie sie sich wirklich abgespielt haben ... Ich sah, daß am Eingang ein Häuflein Nichtsnutze stand. Ich sagte zu Lunatscharski und Rjasanow, daß dies Geheimpolizisten seien und daß sie versuchen, ins Taurische Palais einzudringen" (Lunatscharski vom Platze aus: "Richtig"). "... Ich könnte sie in einer zehntausendköpfigen Menge wiedererkennen." In seinen Aussagen vom 4. Juli, bereits aus der Einzelzelle des Kresty-Gefängnisses, schrieb Trotzki: "... Ich hatte anfangs beschlossen, gemeinsam mit Tschernow und jenen, die ihn verhaften wollten, im Automobil aus der Menge hinauszufahren, um Konflikte und Panik zu vermeiden. Aber der an mich heranstürzende, sehr erregte Unterleutnant zur See, Raskolnikow, rief: "Das ist unmöglich ... Wenn Sie mit Tschernow abfahren, wird man morgen sagen, die Kronstädter hätten ihn verhaftet. Man muß Tschernow sofort befreien." Sobald der Hornist die Menge zur Ruhe gebracht und mir die Möglichkeit gegeben hatte, eine kurze Ansprache zu halten, die mit der Frage schloß: "Wer ist hier für Gewalt, der erhebe die Hand?", bekam Tschernow sofort die Möglichkeit, unbehindert ins Palais zurückzukehren."
    Die Aussagen zweier Zeugen, die gleichzeitig die Hauptbeteiligten des Vorfalls waren, erschöpfen die faktische Seite der Sache. Das hat jedoch die den Bolschewiki feindliche Presse nicht im geringsten gehindert, den Zwischenfall mit
    Tschernow und das "Attentat" auf die Freiheit Kerenskis hinzustellen als die überzeugendsten Beweise für die Organisierung des bewaffneten Aufstandes durch die Bolschewiki. Es mangelte, besonders in der mündlichen Agitation, auch nicht an Hinweisen darauf, daß Tschernows Verhaftung Trotzki geleitet hätte. Diese Version drang sogar bis ins Taurische Palais. Tschernow selbst, der im geheimen Untersuchungsdokument die Umstände seiner halbstündigen Haft der Wahrheit recht nah geschildert hatte, enthielt sich jedoch jeglicher öffentlicher Kundgebung über dieses Thema, um seine Partei nicht zu hindern, Entrüstung gegen die Bolschewiki zu säen. Außerdem gehörte Tschernow zu der Regierung, die Trotzki ins Kresty-Gefängnis setzte. Die Versöhnler könnten sich allerdings darauf berufen, daß das Häuflein dunkler Verschwörer ein solch freches Unterfangen, wie die Verhaftung des Ministers am hellichten Tage aus der Menge heraus, nie gewagt haben würde, wenn es nicht hätte hoffen können, daß ihm die Feindseligkeit der Massen gegen den "Leidtragenden" genügende Deckung bieten würde. So war es auch bis zu einem gewissen Grade. Im Umkreise des Automobils hatte niemand aus eigener Initiative versucht, Tschernow zu befreien. Hätte man zur Ergänzung irgendwo auch noch Kerenski verhaftet, weder die Arbeiter noch die Soldaten würden getrauert haben. In diesem Sinne war eine moralische Beteiligung der Massen an den tatsächlichen und angeblichen Attentaten auf die sozialistischen Minister vorhanden und bildete den Stützpunkt für die Anklagen gegen die Kronstädter. Doch dieses freimütige Argument auszusprechen, hinderte die Versöhnler die Sorge um die Reste ihres demokratischen Prestiges: während sie sich feindselig gegen die Demonstranten abgrenzten, fuhren sie dessenungeachtet fort, im belagerten Taurischen Palais das System der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernsowjets zu repräsentieren.
    Gegen 8 Uhr abends machte General Polowzew telephonisch dem Exekutivkomitee die hoffnungverheißende Mitteilung: zwei Kosakenhundertschaften seien mit Geschützen unterwegs zum Taurischen Palais. Endlich! Aber die Hoffnungen waren auch diesmal trügerisch. Das Hin und Her des Telephongeklingels verdichtete nur die Panik: die Kosaken waren spurlos verschwunden, gleichsam mitsamt den Pferden, Sätteln und Schnellfeuergeschützen verdampft. Miljukow schreibt, gegen Abend hätten sich die "ersten

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