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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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unserer Brüder sich verfärben, wo das Wasser über ihren Leichen sich schließt, erheben wir unsere Stimme: ... Unterdrückte in aller Welt! Entfaltet das Banner des Aufstandes!"
    Die Worte von Kämpfen und Opfern waren keine Phrase. Das Geschwader verlor das Schiff Slawa und zog sich nach Kampf zurück. Die Deutschen eroberten die Monsundinseln. Es wandte sich noch ein schwarzes Blatt um im Buche des Krieges. Die Regierung beschloß, den neuen militärischen Schlag auszunutzen zur Verlegung der Residenz: dieser alte Plan tauchte bei jedem geeigneten Anlasse wieder auf. Nicht Sympathien für Moskau beherrschten die regierenden Kreise, sondern Haß gegen Petrograd. Monarchistische Reaktion, Liberalismus, Demokratie waren nacheinander bestrebt, die Hauptstadt zu degradieren, sie in die Knie zu zwingen, zu zermalmen. Die heftigsten Patrioten haßten jetzt Petrograd mit einem viel glühenderen Haß als Berlin.
    Die Evakuationsfrage nimmt den Weg äußerster Dringlichkeit. Für die Übersiedlung der Regierung zusammen mit dem Vorparlament werden zwei Wochen angesetzt. Es wird beschlossen, die für die Landesverteidigung arbeitenden Betriebe ebenfalls in kürzester Frist zu evakuieren. Das Zentral-Exekutivkomitee, als eine "Privatinstitution", müsse um sein Schicksal selbst Sorge tragen.
    Die kadettischen Inspiratoren der Evakuierung wußten, daß eine einfache Übersiedlung der Regierung die Frage nicht löst. Aber sie spekulierten darauf dem Herd der revolutionären Seuche durch Hunger, Entbehrungen und Erschöpfung beizukommen. Die innere Blockade Petrograds war bereits in vollem Gange. Den Fabriken wurden die Bestellungen entzogen, die Belieferung mit Heizstoff um das Vierfache eingeschränkt, das Ernährungsministerium hielt das in die Hauptstadt gehende Vieh zurück, im Mariinski-Kanalnetz wurden die Ausladungen eingestellt.
    Der kriegerische Rodsjanko, Vorsitzender der Reichsduma, die aufzulösen die Regierung sich Anfang Oktober endlich entschlossen hatte, sprach sich mit voller Offenheit in der liberalen Moskauer Zeitung Utro Rossji über die Kriegsgefahr aus, die der Hauptstadt drohte. "Petrograd? ich meine, Gott mit ihm ... Man befürchtet, es könnten dort Zentralinstitutionen [das heißt Sowjets und so weiter] zugrunde gehen. Darauf erwidere ich nur, daß ich sehr froh wäre, wenn all diese Institutionen zugrunde gingen, weil sie Rußland nichts als Böses gebracht haben." Zwar muß mit Einnahme Petrograds die Baltische Flotte zugrunde gehen. Aber auch darüber braucht man nicht zu trauern: "dort gibt es völlig demoralisierte Schiffe". Dank dem Umstande, daß es des Kammerherrn Sitte nicht war, den Mund zu halten, erfuhr das Volk die geheimsten Gedanken des adeligen und bürgerlichen Rußland.
    Der russische Geschäftsträger in London meldete, der britische Marinestab halte es trotz allem Drängen nicht für möglich, die Lage seines Verbündeten in der Ostsee zu erleichtern. Nicht bloß die Bolschewiki deuteten diese Antwort dahingehend, daß die Alliierten gemeinsam mit den patriotischen Spitzen Rußlands vom deutschen Schwertstreich gegen Petrograd für die gemeinsame Sache nur Nutzen erwarteten. Die Arbeiter und Soldaten zweifelten nicht daran, besonders nach Rodsjankos Geständnissen, daß die Regierung sich bewußt darauf vorbereitete, sie in die Abrichtung Ludendorffs und Hoffmanns zu geben.
    Am 6. Oktober nahm die Soldatensektion mit einer bis dahin nie gewesenen Einmütigkeit eine Resolution Trotzkis an: "Falls die Provisorische Regierung nicht fähig ist, Petrograd zu verteidigen, so ist sie verpflichtet, Frieden zu schließen oder aber ihren Platz einer anderen Regierung zu räumen." Die Arbeiter traten nicht weniger unversöhnlich auf. Sie betrachteten Petrograd als ihre Festung, verknüpften mit ihm ihre revolutionären Hoffnungen, Petrograd preisgeben wollten sie nicht. Erschrocken über Kriegsgefahr, Evakuation, Empörung der Soldaten und Arbeiter, Erregung der gesamten Bevölkerung schlugen die Versöhnler ihrerseits Alarm: man darf Petrograd nicht der Willkür des Schicksals überlassen. Nachdem sie sich überzeugt hatte, daß der Evakuierungsversuch auf allseitigen Widerstand stieß, trat die Regierung den Rückzug an: sie sei weniger um die eigene Sicherheit besorgt als um die Frage des Sitzes der zukünftigen Konstituierenden Versammlung. Doch auch diese Position war unhaltbar. Kaum eine Woche später war die Regierung zu der Erklärung gezwungen, sie gedenke nicht nur selbst im

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