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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Monarchie gesucht. Polnische, baltische, tatarische, ukrainische und jüdische Bourgeois wetteiferten auf dem Felde des imperialistischen Patriotismus. Nach der Februarumwälzung versteckten sie sich hinter dem Rücken der Kadetten oder, nach dem Beispiel der Kadetten, hinter dem Rücken ihrer nationalen Versöhnler. Den Weg des Separatismus beschreitet die Bourgeoisie der Randstaaten um den Herbst 1917 nicht im Kampfe gegen nationale Unterdrückung, sondern im Kampfe gegen die heranrückende proletarische Revolution. Im großen und ganzen hat die Bourgeoisie der unterdrückten Nationen keinesfalls eine geringere Feindschaft gegen die Revolution offenbart als die großrussische Bourgeoisie.
    Die gigantische historische Lehre der drei Revolutionen ist jedoch an vielen Teilnehmern der Ereignisse spurlos vorübergegangen, vor allem - an Stalin. Die versöhnlerische, das heißt kleinbürgerliche Auffassung von den Wechselbeziehungen zwischen den Klassen innerhalb der Kolonialnationen, die die chinesische Revolution von 1925 bis 1927 zugrunde richtete, haben die Epigonen sogar in das Programm der Kommunistischen Internationale hineingebracht und es in diesem seinem Teil in eine direkte Falle für die unterdrückten Völker des Ostens verwandelt.
    Um den wahren Charakter der nationalen Politik Lenins zu verstehen, ist es am besten - nach der Methode der Kontraste -, sie der Politik der österreichischen Sozialdemokratie gegenüberzustellen. Während der Bolschewismus sich jahrzehntelang auf den Ausbruch nationaler Revolutionen einstellte und die fortgeschrittenen Arbeiter im Geiste dieser Perspektive erzog, paßte sich die österreichische Sozialdemokratie gehorsam der Politik der herrschenden Klassen an, betätigte sich als Anwalt des zwangsweisen Zusammenlebens von zehn Nationen innerhalb der österreichischungarischen Monarchie; aber gleichzeitig absolut unfähig, die revolutionäre Einheit der Arbeiter der verschiedenen Nationalitäten herzustellen, trennte sie diese durch vertikale Scheidewände in Parteien und Gewerkschaften. Karl Renner, aufgeklärter Habsburger Bürokrat, suchte unermüdlich im Tintenfaß des Austromarxismus nach Verjüngungsmitteln für den Habsburger Staat bis zu der Stunde, wo er sich als verwitweten Theoretiker der österreichisch-ungarischen Monarchie erblickte. Als die Zentralmächte zerschlagen wurden, versuchte die Habsburger Dynastie noch immer, unter ihrem Zepter das Banner der Föderation autonomer Nationen zu erheben: das offizielle Programm der österreichischen Sozialdemokratie, auf eine friedliche Entwicklung im Rahmen der Monarchie berechnet, ward für einen Augenblick Programm der von Blut und Schmutz der vier Kriegsjahre besudelten Monarchie.
    Der verrostete Reifen, der zehn Nationen zusammengehalten hatte, zerbarst in Stücke. Österreich-Ungarn zerfiel kraft seiner inneren zentrifugalen Tendenzen, verstärkt durch die Versailler Chirurgie. Neue Staaten wurden gebildet, die ä-ten umgebaut. Die österreichischen Deutschen blieben über einem Abgrund hängen. Für sie ging nun die Frage nicht um die Erhaltung der Herrschaft über andere Nationen, sondern um die Gefahr, selbst unter Fremdherrschaft zu geraten. Otto Bauer, Vertreter des "linken" Flügels der österreichischen Sozialdemokratie, hielt den Augenblick für geeignet, die Formel der nationalen Selbstbestimmung aufzunehmen. Das Programm, das während der vergangenen Jahrzehnte den Kampf des Proletariats gegen die Habsburger und die herrschende Bourgeoisie hätte beseelen sollen, wurde in ein Werkzeug zur Selbsterhaltung der gestern herrschenden Nation verwandelt, der heute Gefahr drohte seitens der frei gewordenen slawischen Völker. Wie das reformistische Programm der österreichischen Sozialdemokratie für einen Augenblick jener Strohhalm wurde, an den sich die ertrinkende Monarchie zu klammem versuchte, so mußte die ki-strierte austromarxistische Formel des Selbstbestimmungsrechts Rettungsanker der deutschen Bourgeoisie werden.
    Am 3. Oktober 1918, als die Frage nicht mehr im geringsten von ihnen abhing, "anerkannten" die sozialdemokratischen Abgeordneten des Reichsrates großmütig das Recht der Völker des ehemaligen Kaiserreiches auf Selbstbestimmung. Am 4. Oktober nahmen auch die bürgerlichen Parteien das Programm der Selbstbestimmung an. Den deutschösterreichischen Imperialisten somit um einen ganzen Tag voraus, verhielt sich die Sozialdemokratie noch immer abwartend: man kann ja nicht wissen, welche Wendung die

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