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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Macht zu übernehmen, nicht weil sie revolutionär ist, sondern weil sie die Bourgeoisie ist: in ihren Händen befinden sich Besitz, Bildung, Presse, ein Netz von Stützpunkten, eine Hierarchie von Institutionen. Anders das Proletariat: bar jedes außerhalb seiner selbst liegenden sozialen Vorranges, kann das aufständische Proletariat nur auf seine zahlenmäßige Stärke, seine Geschlossenheit, seine Kader, seinen Stab rechnen.
    Wie es dem Schmied nicht gegeben ist, mit bloßen Händen glühendes Eisen anzufassen, so kann das Proletariat nicht mit bloßen Händen die Macht ergreifen: es braucht eine für diese Aufgabe geeignete Organisation. In der Verknüpfung von Massenaufstand und Verschwörung, der Unterordnung der Verschwörung unter den Aufstand, der Organisierung des Aufstandes durch die Verschwörung besteht jenes komplizierte und verantwortliche Gebiet der revolutionären Politik, das Marx und Engels "die Kunst des Aufstandes" nannten. Sie setzt voraus eine richtige Gesamtführung der Massen, eine elastische Orientierung in den sich verändernden Bedingungen, einen durchdachten Angriffsplan, Vorsicht bei der technischen Vorbereitung und Kühnheit beim Zuschlagen.
    Als elementaren Aufstand bezeichnen Historiker und Politiker gewöhnlich eine solche Massenbewegung, die - geeint durch Feindschaft gegen das alte Regime - weder klare Ziele, noch ausgearbeitete Kampfmethoden, noch eine bewußt zum Siege führende Leitung besitzt. Der elementare Aufstand genießt die wohlwollende Anerkennung der offiziellen Historiker, wenigstens der demokratischen, als unabwendbares Übel, für das die Verantwortung auf das alte Regime fällt. Die wahre Ursache des Wohlwollens besteht darin, daß "elementare" Aufstände über die Rahmen des bürgerlichen Regimes nicht hinausgehen können.
    Die gleiche Bahn geht auch die Sozialdemokratie: sie verneint nicht die Revolution im allgemeinen, als soziale Katastrophe, wie sie Erdbeben, vulkanische Ausbrüche, Sonnenfinsternisse und Pestepidemien nicht verneint. Was sie als "Blanquismus" oder noch schlimmer als Bolschewismus verneint, ist die bewußte Vorbereitung der Umwälzung, der Plan, die Verschwörung. Mit anderen Worten, die Sozialdemokratie ist bereit, allerdings post factum , jene Umwälzungen zu sanktionieren, die die Macht in die Hände der Bourgeoisie übergeben, verurteilt aber gleichzeitig unversöhnlich jene Methoden, die allein imstande sind, die Macht in die Hände des Proletariats zu übergeben. Unter dem scheinbaren Objektivismus verbirgt sich die Politik des Schutzes der kapitalistischen Gesellschaft.
    Aus den Beobachtungen und Betrachtungen über die Mißerfolge vieler Aufstände, deren Teilnehmer oder Zeuge er gewesen, leitete Auguste Blanqui eine Reihe taktischer Regeln ab, ohne deren Wahrung der Sieg des Aufstandes äußerst erschwert, wenn nicht gar unmöglich sei. Blanqui forderte rechtzeitige Schaffung regelrechter revolutionärer Abteilungen unter zentralisierter Leitung, deren regelrechte Ausrüstung, gut berechnete Verteilung der Barrikaden von bestimmter Konstruktion mit einer systematischen, nicht episodischen Verteidigung. Alle diese sich aus den Kriegsaufgaben des Aufstandes ergebenden Regeln müssen sich selbstverständlich unvermeidlich zusammen mit den sozialen Bedingungen und der Kriegstechnik verändern; an sich aber sind sie keinesfalls "Blanquismus" in dem Sinne, wie dieser Begriff dem deutschen "Putschismus" oder dem revolutionären Abenteurertum nahesteht.
    Der Aufstand ist eine Kunst und hat wie jede Kunst seine Gesetze. Blanquis Regeln waren Forderungen des kriegsrevolutionären Realismus. Blanquis Irrtum bestand nicht in seinem direkten Theorem, sondern in dessen Umkehrung. Aus der Tatsache, daß die taktische Hilflosigkeit den Aufstand zum Untergang verurteilte, zog Blanqui die Schlußforderung, daß die Einhaltung der Regeln der Insurrektionstaktik an sich imstande sei, den Sieg zu sichern. Erst von da ab beginnt die berechtigte Gegenüberstellung von Blanquismus und Marxismus. Die Verschwörung ersetzt den Aufstand nicht. Die aktive Minderheit des Proletariats, so gut sie auch organisiert sein mag, ist nicht fähig, unabhängig vom Gesamtzustande des Landes die Macht zu ergreifen: in diesem Sinne hat die Geschichte über den Blanquismus ihr Urteil gesprochen. Aber nur in diesem Sinne. Das direkte Theorem behält seine volle Geltung. Zur Machteroberung genügt dem Proletariat nicht der elementare Aufstand. Nötig ist die entsprechende

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