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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Gegen Abend herrschte unter ihnen weniger Unruhe als in den vorangegangenen Tagen. Die Arbeit in den staatlichen und öffentlichen Ämtern hatte allerdings aufgehört. Viele Geschäfte aber blieben geöffnet, manche schlossen, doch eher aus Vorsicht als aus Notwendigkeit. Aufstand? Macht man denn so Aufstand? Es vollzieht sich einfach eine Ablösung der Februar- durch die Oktober-Wachen.
    Gegen Abend war der Newski mehr denn je von jenem Publikum erfüllt, das den Bolschewiki drei Tage Leben verhieß. Die Soldaten des Pawlowsker Regiments flößten, obwohl ihre Sperrketten durch Panzerwagen und sogar Flugzeugabwehrkanonen verstärkt waren, keine Angst mehr ein. Gewiß, irgend etwas Ernstes geht beim Winterpalais vor, und man wird dort nicht durchgelassen. Aber der ganze Aufstand kann sich doch nicht auf dem Schloßplatz konzentrieren? Ein amerikanischer Journalist sah, wie Greise in kostbaren Pelzen den Pawlowskern die Fäuste zeigten und aufgeputzte Frauen die Soldaten mit kreischenden Stimmen beschimpften. "Die Soldaten parierten schwach mit verlegenem Lächeln." Sie fühlten sich offensichtlich unbehaglich auf dem eleganten Newski, dem es erst bevorstand, sich in den "Prospekt des 25. Oktober" zu verwandeln.
    Claude Anet, offiziöser französischer Journalist in Petrograd, war ehrlich erstaunt: die unvernünftigen Russen machen eine Revolution anders, als er aus alten Büchern herausgelesen. "Die Stadt ist ruhig!" Anet unterhält sich telephonisch, empfängt Besuche, geht aus. Soldaten, die ihm auf der Mojka den Weg kreuzen, marschieren in voller Ordnung, "wie unter dem alten Regime". Auf der Milljonaja-Straße zahlreiche Patrouillen. Nirgendwo fällt ein Schuß. Der Riesenplatz des Winterpalais ist zu dieser Mittagsstunde fast leer. Patrouillen auf der Morskaja-Straße und dem Newski-Prospekt. Die Soldaten in guter Haltung und tadelloser Uniform. Auf den ersten Blick scheint es unzweifelhaft, daß es Regierungstruppen sind. Auf dem Mariinski-Platz, von wo aus Anet ins Vorparlament zu gelangen beabsichtigte, halten ihn Soldaten und Matrosen auf, "fürwahr sehr höflich". Die beiden ans Palais grenzenden Straßen sind durch Autos und Wagen verbarrikadiert Auch ein Panzerwagen ist dabei. All das untersteht dem Smolny. Das Militärische Revolutionskomitee schickte in die Stadt Patrouillen aus, stellte Wachen, löste das Vorparlament auf, herrschte über die Hauptstadt, schuf eine "seit Revolutionsbeginn nicht mehr erlebte" Ordnung. Abends berichtet die Portierfrau dem französischen Mieter, man habe aus dem Sowjetstab Telephonnummern abgegeben, durch die man bei eventuellen Überfällen, verdächtigen Haussuchungen und so weiter jederzeit militärische Hilfe anfordern könne. "Wahrlich, wir waren niemals besser geschützt."
    Um 2 Uhr 35 mittags - die ausländischen Journalisten blickten auf die Uhr, den russischen stand der Sinn nicht danach -wurde eine außerordentliche Sitzung des Petrograder Sowjets eröffnet mit einem Bericht Trotzkis, der im Namen des Militärischen Revolutionskomitees erklärte, die Provisorische Regierung bestehe nicht mehr. "Man hat uns gesagt, der Aufstand werde die Revolution in Blutströmen ertränken ... Uns ist kein einziges Opfer bekannt." Es gab in der Geschichte kein Beispiel einer revolutionären Bewegung, an der so gewaltige Massen beteiligt gewesen wären und die so unblutig verlief "Das Winterpalais ist noch nicht genommen, doch sein Schicksal wird sich in den nächsten Minuten entscheiden." Die nächsten zwölf Stunden werden beweisen, daß diese Voraussage zu optimistisch war.
    Trotzki teilt mit: von der Front rücken Truppen an gegen Petrograd, man muß sofort Sowjetkommissare an die Front und ins ganze Land schicken zur Informierung über die stattgefundene Umwälzung. Aus dem kleinen rechten Sektor ertönen Stimmen: "Ihr greift dem Willen des Sowjetkongresses vor." Der Berichterstatter antwortet: "Der Wille des Kongresses ist im voraus bestimmt durch die gewaltige Tatsache des Aufstandes der Petrograder Arbeiter und Soldaten. Uns bleibt jetzt nur übrig, unseren Sieg zu entwickeln."
    Lenin, der hier zum ersten Male nach dem Verlassen seines Verstecks öffentlich auftrat, entwarf in seiner Rede kurz das Programm der Revolution: den alten Staatsapparat zerschlagen; ein neues Regierungssystem vermittels der Sowjets schaffen; Maßnahmen ergreifen zur sofortigen Beendigung des Krieges, gestützt auf die revolutionäre Bewegung in den anderen Ländern; das gutsherrliche Eigentum

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