Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
Gesandtschaft ein Wagen mit russischen Offizieren, der die Überlassung des Gesandtschaftsautomobils für Kerenskis Reise zur Front forderte. Nachdem sich die Gesandtschaftsbeamten untereinander beraten hatten, kamen sie zu dem Entschluß, sich der Macht der Umstände zu beugen, da das Automobil bereits faktisch "enteignet" sei - was absolut nicht der Fall war. Der russische Offizier soll sich trotz den Protesten der Herren Diplomaten geweigert haben, die amerikanische Fahne zu entfernen. Was auch nicht weiter verwunderlich ist: verlieh doch allein dieser farbige Fetzen dem Automobil Immunität. Francis hieß die Handlungsweise der Gesandtschaftsbeamten gut, befahl jedoch, "zu niemand davon zu sprechen".
    Aus der Gegenüberstellung der zwei Angaben, die unter verschiedenen Graden die Wahrheitslinie schneiden, ergibt sich ein hinreichend klares Bild: natürlich haben nicht die Alliierten Kerenski das Automobil aufgezwungen, sondern er hat es sich selbst erbeten; da die Diplomaten aber der Heuchelei des Nichteingreifens in innere Angelegenheiten Tribut zollen mußten, wurde verabredet, das Automobil sei "enteignet" worden, und die Gesandtschaft habe gegen den Mißbrauch der Flagge "protestiert". Nachdem diese delikate Sache erledigt war, nahm Kerenski im eigenen Wagen Platz; der amerikanische folgte hinterher in Reserve. "Es braucht nicht gesagt zu werden", erzählt Kerenski weiter, "daß mich die ganze Straße, Passanten wie Soldaten, sofort erkannte. Ich grüßte wie immer, ein wenig nachlässig und leicht lächelnd." Ein unvergleichliches Bild: nachlässig und lächelnd - so ging das Februarregime in das Reich der Schatten ein. An den Stadtausgängen standen überall Feldwachen und Patrouillen aus bewaffneten Arbeitern. Beim Anblick der rasenden Autos stürzten die Rotgardisten auf die Chaussee, doch zu schießen entschlossen sie sich nicht. Schießen vermied man überhaupt noch. Vielleicht hielt auch das amerikanische Fähnchen davon ab. Die Automobile jagten wohlbehalten vorüber.
    "In Petrograd also gibt es keine Truppen, bereit, die Provisorische Regierung zu verteidigen?" fragte verwundert Mal-jantowitsch, der bis zur Stunde im Reiche der ewigen Rechtswahrheiten gelebt hatte. - "Ich weiß nichts." Konowalow machte eine abwehrende Handbewegung. "Schlimm", fügte er hinzu. - "Und was sind das für Truppen, die da kommen?" forschte Maljantowitsch weiter. - "Ich glaube, ein Bataillon Radfahrer." Die Minister seufzten. In Petrograd und Umgebung zählte man zweihunderttausend Soldaten. Schlimm steht's mit einem Regime, wenn das Regierungshaupt mit einem amerikanischen Fähnchen im Rücken einem Bataillon Radler entgegenrasen muß!
    Die Minister würden sicherlich noch tiefer geseufzt haben, hätten sie gewußt, daß das 3. Radfahrerbataillon, von der Front ausgesandt, auf der Station Peredolskaja haltmachte und beim Petrograder Sowjet telegraphisch anfragte, zu welchem Zwecke es eigentlich geholt werde. Das Militärische Revolutionskomitee entbot dem Bataillon einen brüderlichen Gruß und empfahl ihm, sofort Delegierte zu schicken. Die Behörden suchten, fanden aber die Radler nicht, deren Delegierte am gleichen Tage im Smolny eintrafen.
    Das Winterpalais sollte den vorbereiteten Plänen nach in der Nacht zum 25. gleichzeitig mit allen anderen Kommandohöhen der Hauptstadt besetzt werden. Bereits am 23. wurde für die Einnahme des Palais ein besonderer Dreierausschuß gebildet mit Podwojski und Antonow als Hauptfiguren. Ingenieur Sadowski, der im Militärdienst stand, war als dritter ausersehen, kam aber bald, mit Angelegenheiten der Garnison beschäftigt, in Wegfall. Ihn ersetzte Tschudnows-ki, der im Mai zusammen mit Trotzki aus dem Konzentrationslager in Kanada angekommen und als Soldat drei Monate an der Front gewesen war. Engsten Anteil an der Operation nahm Laschewitsch, ein alter Bolschewik, der es in der Armee bis zum Unteroffizier gebracht hatte. Drei Jahre später erinnerte sich Sadowski, wie in seinem kleinen Zimmer-chen im Smolny Podwojski und Tschudnowski über der Karte Petrograds um den besten Aktionsplan gegen das Palais grimmig stritten. Endlich wurde beschlossen, den Bezirk des Winterpalais in dichtem Oval, dessen Längsachse das Newaufer bilden sollte, einzuschließen. Von der Flußseite her sollte die Umkreisung mit der Peter-Paul-Festung, der Aurora und anderen aus Kronstadt und von der aktiven Flotte herbeigerufenen Schiffen abschließen. Um eventuellen Angriffsversuchen der Kosaken und

Weitere Kostenlose Bücher