Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
Panzerwagen, auf die man im Winterpalais und im Stab besonders gerechnet hatte, zerfielen in zwei Gruppen: eine bolschewistische und eine pazifistische; eine Regierungsgruppe gab es überhaupt nicht. Auf dem Wege zum Winterpalais stieß. eine halbe Kompanie Ingenieur-Junker mit Hoffnung und Angst im Herzen auf zwei Panzerwagen: Freunde oder Feinde? Es zeigte sich, daß sie Neutralität wahrten und auf der Straße waren um Zusammenstöße zwischen den Parteien zu verhindern. Von den sechs im Schlosse stationierten Panzerautos war nur eins zum Schutze des Schloßeigentums verblieben; die fünf übrigen waren weg. Mit den Erfolgen des Aufstandes wuchs die Zahl der bolschewistischen Panzerwagen, schmolz die Neutralitätsarmee: dies ist überhaupt das Schicksal des Pazifismus in jedem ernsten Kampfe.
    Die Mittagsstunde naht. Der Riesenplatz vor dem Winterpalais ist noch immer leer. Die Regierung kann ihn mit niemand füllen. Die Truppen des Komitees besetzen ihn nicht, von der Durchführung des zu komplizierten Planes in Anspruch genommen. In weiterem Umkreis sammeln sich Truppen, Arbeiterabteilungen, Panzerwagen. Der Schloßbezirk beginnt einem verpesteten Ort zu ähneln, den man an der Peripherie, weit von dem unmittelbaren Seuchenherd, äb-sperrt.
    Der Hof des Winterpalais, der zum Platz führt, ist wie der Hof des Smolny von Holzstapeln angefüllt. Rechts und links stehen dreizöllige Feldgeschütze. An mehreren Stellen Gewehrpyramiden. Die geringe Wache des Palais drückt sieh eng an das Gebäude. Im Hof wie in der unteren Etage liegen zwei Fähnrichschulen aus Oranienbaum und Peterhof, bei weitem nicht vollzählig, und ein Zug der Konstantinowsker Artillerieschule mit sechs Geschützen.
    In der zweiten Tageshälfte trifft ein Junkerbataillon der Ingenieurschule ein, das unterwegs eine halbe Kompanie verloren hat. Das Bild, das der Ankunftsort bietet, ist kaum imstande, die Kampfbereitschaft der Junker zu heben, an der es ihnen, nach Stankewitschs Aussage, auch unterwegs schon fehlte. Es stellt sich heraus, daß im Schlosse fast völliger Mangel an Lebensmitteln herrscht: nicht einmal dafür hatte man rechtzeitig gesorgt. Ein Lastwagen mit Brot war von Patrouillen des Komitees abgefangen worden. Ein Teil der Junker hat Wachtdienst, die anderen quälte Untätigkeit, Unsicherheit, Hunger. Die Hand einer Leitung war nirgendwo zu verspüren. Auf dem Platz vor dem Schlosse und am Kai begannen Gruppen scheinbar friedlicher Passanten aufzutauchen, die im Vorübergehen unter Bedrohung mit Revolvern den Posten stehenden Junkern Gewehre entrissen.
    Unter den Junkern tauchen "Agitatoren" auf. Sind sie von außen eingedrungen? Nein, noch sind es aller Wahrscheinlichkeit nach innere Friedensstörer. Es gelang ihnen, unter den Oranienbaumern und Peterhofern Gärung hervorzurufen. Die Komitees der Schulen organisierten im Weißen Saal des Schlosses eine Versammlung und verlangten nach einem Regierungsvertreter zwecks Aufklärung. Es erschienen sämtliche Minister mit Konowalow an der Spitze. Die Diskussion währte eine ganze Stunde. Konowalow wurde wiederholt unterbrochen und - verstummte. Landwirtschaftsminister Maslow trat in der Eigenschaft des alten Revolutionärs auf. Kischkin setzte den Junkern auseinander, daß die Regierung beschlossen habe, sich bis zur letzten Möglichkeit zu halten. Nach Stankewitschs Zeugnis machte ein Junker den Versuch, die Bereitschaft der Truppe, für die Regierung in den Tod zu gehen, zum Ausdruck zu bringen, aber "die offenkundige Kühle der übrigen Kameraden mäßigte seinen Drang". Die Reden anderer Minister riefen bereits direkte Gereiztheit bei den Junkern hervor, die Zwischenrufe machten, schrien und sogar zu pfeifen begannen. Die Junker von blauem Blut entschuldigten das Verhalten der Mehrheit ihrer Kameraden mit deren niederer sozialer Abstammung: "All das sind Leute vom Pflug, Halbanalphabeten, ungebildetes Vieh ... gemeines Volk."
    Das Meeting der Minister mit den Junkern im belagerten Palais endete immerhin versöhnlich: die Junker erklärten sich zum Bleiben bereit, nachdem ihnen aktive Führung und eine richtige Beleuchtung der Ereignisse versprochen worden war. Der zum Kommandanten der Verteidigung ernannte Vorsteher der Ingenieurschule fuhr mit dem Bleistift über den Schloßplan und zeichnete die Namen der Truppenteile ein. Die vorhandenen Kräfte wurden nach Kampfabschnitten aufgeteilt. Ein großer Teil der Junker wurde in der ersten Etage untergebracht, von wo aus sie durch die

Weitere Kostenlose Bücher