Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Junkertruppen im Rücken zuvorzukommen oder sie zu paralysieren, wurde beschlossen, beträchtliche Deckungen aus revolutionären Abteilungen aufzustellen.
Der Plan in seiner Gesamtheit war zu schwerfällig und kompliziert für die Aufgabe, die er zu lösen hatte. Die für die Vorbereitung bemessene Zeit war unzureichend. Kleine Mißverhältnisse und Rechenfehler ergaben sich, wie üblich, bei jedem Schritt. An einer Stelle war die Richtung falsch angegeben, an der anderen hatte sich der Operationsleiter, der die Instruktionen verwechselte, verspätet, an der dritten wartete man auf den rettenden Panzerwagen. Die Truppenteile herauszuführen, sie mit den Rotgardisten vereinigen, die Kampfreviere besetzen, sie miteinander und mit dem Stab verbinden - all das erforderte viel mehr Stunden, als die Leiter vermutet hatten, die über der Karte Petrograds stritten. Als das Militärische Revolutionskomitee gegen 10 Uhr morgens die Regierung als gestürzt proklamierte, war das Ausmaß der Verspätung sogar den unmittelbaren Leitern der Operation noch nicht klar. Podwojski versprach den Fall des Winterpalais "nicht später als um 12 Uhr". Bis dahin war auf dem militärischen Gebiet alles derart glatt vonstatten gegangen, daß niemand Grund hatte, an dieser Frist zu zweifeln. Doch zur Mittagsstunde stellte sich heraus, daß die Belagerung noch immer nicht komplett war, die Kronstädter noch fehlten, während die Verteidigung des Palais ausgebaut wurde. Der Zeitverlust führte, wie es stets zu sein pflegt, zu neuen Verzögerungen. Unter einem starken Druck des Komitees wurde die Einnahme des Palais für 3 Uhr angesetzt, diesmal "endgültig". Gestützt auf die neue Frist sprach der Berichterstatter des Militärischen Revolutionskomitees in der Tagessitzung des Sowjets die Hoffnung aus, der Fall des Winterpalais sei Sache der nächsten Minuten. Doch eine neue Stunde verstrich und brachte keine Entscheidung. Podwojski, der selbst wie im Feuer brannte, versicherte telephonisch, das Palais werde bis 6 Uhr um jeden Preis genommen sein. Aber die alte Zuversicht war nicht mehr vorhanden. Und in der Tat, die Uhr schlug 6, doch die Entscheidung fiel nicht. Aufgebracht über die Antreibereien des Smolny, lehnten Podwojski und Antonow es ab, irgendwelche weiteren anzugeben. Das erzeugte ernste Besorgnis. Politisch hielt man es für notwendig, daß zur Eröffnung des Sowjetkongresse die gesamte Hauptstadt sich in Händen des Militärischen Revolutionskomitees befände: das sollte die Aufgabe gegenüber der Opposition auf dem Kongreß vereinfachen, indem es sie vor eine vollendete Tatsache stellte. Indessen war die Stunde der Kongreßeröffnung gekommen, verschoben worden und wieder gekommen: das Winterpalais hielt sich. So wurde die Belagerung de Palais infolge ihres schleppenden Charakters für nicht weniger als zwölf Stunden die Zentralaufgabe des Aufstandes.
Der Hauptstab der Operation blieb im Smolny, wo alle Fäden in Laschewitschs Händen zusammenliefen. Der Feldstab befand sich in der Peter-Paul-Festung, wo Verantwortlicher Blagonrawow war. Untergeordnete Stäbe gab es drei: einen auf der Aurora, einen zweiten in der Kaserne des Pawlowsker Regiments, den dritten in der Kaserne der Flottenequipage. Auf den Aktionsfeld lag die Leitung bei Podwojski und Antonow, wohl ohne klar ausgesprochenes Rangverhältnis. Im Gebäude des Hauptstabes gab es ebenfalls drei über de Karte: den Bezirkskommandierenden, Oberst Polkownikow; der Stabschef General Bagratuni und den als höchste Autorität zu Beratung hinzugezogenen General Alexejew. Trotz dieser so hochqualifizierten Leitung waren die Pläne der Verteidigung unvergleichlich verschwommener als die des Angriffs. Zwar verstanden es die unerfahrenen Marschälle des Aufstandes nicht, ihr Truppen schnell zusammenzuziehen und rechtzeitig den Schlag zu führen. Die Truppen aber waren vorhanden. Die Marschälle der Verteidigung hatten statt Truppen unklare Hoffnungen: vielleicht werden die Kosaken sich besinnen; vielleicht finden sich treue Truppen in den Nachbargarnisonen; vielleicht wird Kerenski Truppen von der Front heranbringen. Polkownikows Stimmung ist aus seinem Nachttelegramm an das Hauptquartier bekannt: er betrachtete die Sache als verloren. Alexejew, zu Optimismus noch weniger neigend, verließ bald den verlorener Posten.
Delegierte der Junkerschulen wurden zur Verbindung in den Stab gerufen, wo man versuchte, ihren Mut zu heben durch Versicherungen, bald würden Truppen aus Gatschina,
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