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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Auf dem Sowjetkongreß im Juni hatten die Versöhnler 600 Stimmen bei einer Gesamtzahl von 832 Delegierten. Jetzt betrug die Versöhnleropposition aller Schattierungen kaum ein Viertel des Kongresses. Menschewiki zusammen mit den an sie angelehnten nationalen Gruppen zählte man achtzig Mann, davon etwa die Hälfte "Linke". Von den 159, nach anderen Angaben 190 Sozialrevolutionären bildeten die Linken etwa drei Fünftel, wobei die Rechten im Verlauf der Tagung immer mehr zusammenschmolzen. Gegen Ende des Kongresses erreichte die Delegiertenzahl nach manchen Aufstellungen annähernd neunhundert Mann; doch diese nicht wenige beratende Stimmen einschließende Zahl erfaßt andererseits nicht alle die beschließenden. Die Registrierung wurde mit Unterbrechungen vorgenommen, Dokumente gingen verloren, die Angaben über Parteizugehörigkeit sind nicht vollständig. Jedenfalls blieb die vorherrschende Stellung der Bolschewiki auf dem Kongreß unbestritten.
    Eine unter den Delegierten vorgenommene Enquete ergab, daß fünfhundert Sowjets für die Übergabe der Macht in die Hände der Sowjets waren; sechsundachtzig für die Macht der "Demokratie"; fünfundfünfzig für eine Koalition; einundzwanzig für eine Koalition, jedoch ohne Kadetten. Beredt zwar auch in dieser Form, geben jedoch die Zahlen eine übertriebene Vorstellung vom Rest des Versöhnlereinflusses: für Demokratie und Koalition waren die Sowjets der rückständigsten Gebiete und unwichtigsten Punkte.
    Am 25., vom frühen Morgen an, gingen im Smolny Fraktionssitzungen. Bei den Bolschewiki waren nur jene anwesend, die von Kampfaufträgen frei waren. Die Kongreßeröffnung verzögerte sich: die bolschewistische Führung wollte vorerst mit dem Winterpalais Schluß machen. Aber auch die feindlichen Fraktionen trieben nicht zur Eile: sie mußten beschließen, was zu tun, und das war nicht leicht. Es vergingen Stunden. In den Fraktionen stritten die Unterfraktionen. Die Spaltung der Sozialrevolutionäre erfolgte, nachdem die Resolution über das Verlassen des Kongresses mit zweiundneunzig gegen sechzig Stimmen abgelehnt worden war. Erst am Spätabend begannen linke und rechte Sozialrevolutionäre in getrennten Zimmern zu tagen. Die Menschewiki ersuchten uni 8 Uhr um eine neue Vertagung: bei ihnen gab es zu viele Meinungen. Die Nacht rückte näher heran. Die Operation vor dem Winterpalais zog sich hin. Doch länger zu warten, war unmöglich: man mußte dem aufhorchenden Lande ein klares Wort sagen.
    Die Revolution lehrte die Kunst der Verdichtung. Delegierte; Gäste, Wachen drängten sich in der Aula des Instituts für adelige Mädchen, um neuen und neuen Eintreffenden Raum zu lassen. Warnungen vor der Gefahr des Fußbodendurchbruchs blieben unbeachtet, wie auch Ermahnungen, weniger zu rauchen. Alle engten sich ein und rauchten das Doppelte. Mit Mühe bahnte sich John Reed den Weg durch die lärmende Menge an der Tür. Der Saal war nicht g3-heizt, aber die Luft drückend und heiß.
    Zusammengepfercht in Saaltüren und Seitengängen, alle Fensterbretter voll besetzt, warteten die Delegierten geduldig auf die Klingel des Vorsitzenden. Auf der Tribüne waren weder Zeretelli, noch Tschcheidse, noch Tschernow. Nur Führer zweiten Ranges waren zu ihrem Begräbnis erschienen. Ein Mann von kleinem Wuchs, in der Uniform eines Militärarztes, eröffnete, abends 10 Uhr 40, im Namen des Exekutivkomitees die Tagung. Der Kongreß versammele sich unter so "außerordentlichen Umständen", daß er, Dan, den Auftrag des Zentral-Exekutivkomitees erfüllend, von einer politischen Ansprache absehen wolle: befanden sich doch seine Parteifreunde zur Stunde unter Beschießung im Winterpalais, wo sie "in aufopfernder Weise ihre Pflicht als Minister erfüllen". Die Delegierten hatten am allerwenigsten auf den Segen des Zentral-Exekutivkomitees gewartet. Sie blickten feindselig zur Tribüne hin: falls diese Menschen politisch noch existieren, welche Beziehung haben sie zu uns und zu unserer Sache?
    Im Namen der Bolschewiki schlägt der Moskauer Delegierte Awanesow ein Präsidium auf der Basis der Proportionalität vor: vierzehn Bolschewiki, sieben Sozialrevolutionäre, drei Menschewiki, ein Internationalist. Die Rechten lehnen sogleich die Teilnahme am Präsidium ab. Martows Gruppe hält sich vorläufig zurück: sie ist sich noch nicht schlüssig. Sieben Stimmen gehen zu den linken Sozialrevolutionären über. Der Kongreß verfolgt düster diese einleitenden Konflikte.
    Awanesow verliest die

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