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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Petrograd lebte und am Abend des 24. nach dem Smolny gerufen wurde, um die gesamte Bewegung zu leiten, verfolgen den Zweck, die in der Partei vorherrschende Ansicht, die Umwälzung hätte Trotzki geleitet, abzuschwächen. Die dann folgenden Trotzki gewidmeten Sätze klingen in der heutigen politischen Akustik wie Panegyrik; in Wirklichkeit waren sie das mindeste, was Stalin, und seine polemischen Anspielungen zu verschleiern, zu sagen gezwungen war. Die Kompliziertheit der Konstruktion und die vorsorglich gönnerhafte Färbung dieses "Jubiläums"-Artikels gehen an sich keine schlechte Vorstellung von der damaligen öffentlichen Parteimeinung.
    Im Artikel wird, nebenbei gesagt, das "praktische Zentrum" mit keinem Wort erwähnt. Im Gegenteil, Stalin erklärt kategorisch: "die ganze Arbeit der praktischen Organisierung des Aufstandes ging unter der unmittelbaren Leitung von ... Trotzki". Trotzki aber gehörte doch dem praktischen Zentrum nicht an; und von Jaroslawski haben wir ja vernommen, daß angeblich "dieses Organ (und kein anderes) sämtliche am Aufstand beteiligten Organisationen leitete". Die Lösung des Widerspruchs ist einfach: im Jahre 1918 waren die Ereignisse allen noch zu frisch im Gedächtnis, und ein Versuch, aus den Protokollen den Beschluß über ein "Zentrum" herauszuziehen, das nie existierte, hätte nicht auf Erfolg rechnen können.
    Im Jahre 1924, als vieles bereits vergessen war, erklärte Stalin folgendermaßen, weshalb Trotzki nicht in das "praktische Zentrum" hineinkam: "Ich muß sagen, daß Trotzki im Oktoberaufstand keine besondere Rolle gespielt hat und auch nicht spielen konnte." Stalin verkündete in diesem Jahre direkt als Aufgabe der Historiker die Zerstörung "der Legende von Trotzkis besonderer Rolle im Oktoberaufstand". Wie aber bringt Stalin diese neue Version in Einklang mit seinem eigenen Artikel von 1918? Sehr einfach: er verbietet, seinen alten Artikel zu zitieren. Historiker, die den Versuch machen, eine Mittellinie zwischen Stalin von 1918 und Stalin von 1924 zu nehmen, werden unverzüglich aus der Partei ausgeschlossen.
    Es existieren jedoch autoritärere Zeugnisse als Stalins erster Jubiläumsartikel. In den Anmerkungen zur offiziellen Ausgabe der Werke Lenins heißt es unter dem Wort Trotzki: "Wurde, nachdem der Petrograder Sowjet in die Hände der Bolschewiki übergegangen war, zu dessen Vorsitzenden gewählt, in welcher Eigenschaft er den Aufstand vom 25. Oktober organisiert und geleitet hat." Auf diese Weise ist die "Legende von der besonderen Rolle" fest eingegangen in Lenins Werke zu Lebzeiten ihres Autors.
    An Hand der offiziellen Nachschlagewerke läßt sich der Bearbeitungsprozeß des historischen Materials von Jahr zu Jahr verfolgen. So schreibt noch im Jahre 1925, als die Kampagne gegen Trotzki bereits in voller Blüte war, das offizielle Jahrbuch Kalender des Kommunisten: "An der Oktoberrevolution nimmt Trotzki aktivsten führenden Anteil. Im Oktober 1917 wird er zum Vorsitzenden des Petrograder Revolutionskomitees gewählt, das den bewaffneten Aufstand organisierte." In der Ausgabe von 1926 ist diese Stelle durch einen kurzen neutralen Satz abgelöst: "Oktober 1917 - Vorsitzender des Leningrader Revolutionskomitees." Seit 1927 stellt Stalins Schule eine neue Version auf; die in alle Sowjetlehrbücher einging: als Gegner des "Sozialismus in einem Lande" mußte Trotzki Gegner des Oktoberaufstandes sein. Glücklicherweise existierte ja das "praktische Zentrum", das die Sache einem glücklichen Ende zuführte! Die findigen Historiker unterlassen nur zu erklären, weshalb der bolschewistische Sowjet Trotzki zum Vorsitzenden gewählt und weshalb der gleiche Sowjet, von der Partei geleitet, Trotzki an die Spitze des Militärischen Revolutionskomitees gestellt hat.
    Lenin war nicht vertrauensselig, besonders in einer Frage, wo es um das Schicksal der Revolution ging. Mit Wortversicherungen konnte man ihn nicht beruhigen. Aus der Ferne war er geneigt, jedes Anzeichen nach der schlimmeren Seite hin zu deuten. Er gewann erst dann endgültig den Glauben, daß die Sache richtig geführt wird, als er sich mit eigenen Augen davon hatte überzeugen können, das heißt, als er selbst im Smolny erschien. Trotzki erzählt darüber in seinen Erinnerungen von 1924: "Ich entsinne mich, welch gewaltigen Eindruck es auf Lenin machte, als er vernahm, wie ich durch schriftlichen Befehl eine Kompanie des Litowsker Regiments herbeigeholt hatte, um das Erscheinen unserer Partei- und

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