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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zukunft." Dieser Mar-x'sche Grundsatz, methodologisch nicht von der Weltwirtschaft als Ganzem ausgehend, sondern vom einzelnen kapitalistischen Lande als Typ, wurde immer weniger anwendbar, je mehr die kapitalistische Entwicklung alle Länder erfaßte, unabhängig von ihrem vorangegangenen Schicksal und ihrem ökonomischen Niveau. England zeigte seiner Zeit die Zukunft Frankreichs, beträchtlich weniger Deutschlands und schon gar nicht Rußlands oder Indiens. Indes nahmen die russischen Menschewiki Marxens bedingten Grundsatz unbedingt: das rückständige Rußland habe nicht vorauszueilen, sondern gehorsam den fertigen Mustern nachzufolgen. Mit solchem "Marxismus" waren auch die Liberalen einverstanden.
    Eine andere, nicht weniger populäre Marx'sche Formel: "eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist ... " geht dagegen nicht von einem einzeln genommenen Lande aus, sondern von der Ablösung universeller Gesellschaftsformen (Sklaverei, Mittelalter, Kapitalismus). Indes kamen die Menschewiki, diesen Grundsatz im Aspekt eines Einzelstaates betrachtend, zu der Schlußfolgerung, der russische Kapitalismus habe noch einen großen Weg zurückzulegen, bevor er das europäische oder amerikanische Niveau erreichen werde. Aber Produktivkräfte entwickeln sich nicht im luftleeren Raum! Man kann nicht von Möglichkeiten eines nationalen Kapitalismus sprechen und außer acht lassen einerseits den auf seiner Grundlage sich entwickelnden Klassenkampf; andererseits seine Abhängigkeit von den Weltbedingungen. Der Sturz der Bourgeoisie durch das Proletariat erwuchs aus dem realen russischen Kapitalismus und verwandelte damit allein dessen abstrakte ökonomische Möglichkeiten in Nichts. Die Struktur der Wirtschaft wie der Charakter des Klassenkampfes in Rußland wurden in entscheidendem Maße von internationalen Bedingungen bestimmt. Der Kapitalismus erreichte in der Weltarena jenen Stand, wo er aufhörte, die Unkosten der Produktion zu rechtfertigen, nicht im kommerziellen, sondern im soziologischen Sinne verstanden: Zollämter, Militarismus, Krisen, Kriege, diplomatische Konferenzen und andere Geißeln verschlingen und vergeuden so viel schöpferische Energie, daß trotz allen technischen Errungenschaften für Wachstum von Wohlstand und Kultur kein Platz übrigbleibt.
    Die dem Anschein nach paradoxe Tatsache, daß als erstes Opfer für die Sünden des Weltsystems die Bourgeoisie eines rückständigen Landes stürzte, ist in Wirklichkeit vollkommen gesetzmäßig. Schon Marx hat ihre Erklärung für seine Epoche vermerkt: "In den Extremitäten des bürgerlichen Körpers muß es natürlich eher zu gewaltsamen Ausbrüchen kommen als in seinem Herzen, da hier die Möglichkeit der Ausgleichung größer ist als dort." Unter den ungeheuerlichen Lasten des Imperialismus mußte zu allererst ein Staat fallen, der noch keine Zeit gefunden hatte, ein großes nationales Kapital anzuhäufen, dem aber die Weltrivalität keinerlei Rabatt gewährte. Der Zusammenbruch des russischen Kapitalismus war ein lokaler Einsturz der universellen Gesellschaftsformation. "Die richtige Einschätzung unserer Revolution", sagte Lenin, "ist nur vom internationalen Standpunkte aus möglich."
    Die Oktoberumwälzung führten wir zurück letzten Endes nicht auf die Tatsache der Rückständigkeit Rußlands, sondern auf das Gesetz der kombinierten Entwicklung. Die historische Dialektik kennt keine nackte Rückständigkeit, wie auch keine chemisch reine Fortschrittlichkeit. Alles hegt an den konkreten Wechselbeziehungen. Die gegenwärtige Menschheitsgeschichte ist voller "Paradoxe", nicht so grandioser wie die Entstehung der proletarischen Diktatur in einem rückständigen Lande, aber doch vom gleichen historischen Typ. Die Tatsache, daß Studenten und Arbeiter des rückständigen Chinas sich gierig die Doktrin des Materialismus aneignen, während die Arbeiterführer des zivilisierten Englands auf die magische Kraft kirchlicher Beschwörung vertrauen, beweist unzweideutig, daß China auf gewissen Gebieten England überholt hat. Doch die Verachtung der chinesischen Arbeiter für den mittelalterlichen Stumpfsinn Macdonalds bietet keine Gründe zu der Schlußfolgerung, China stehe seiner Gesamtentwicklung nach höher als Großbritannien. Im Gegenteil, das ökonomische und kulturelle Übergewicht des letzteren kann in

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