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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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vollenden oder korrigieren, was es früher nicht entschlossen genug getan hat. Daher der Drang zu einer neuen Revolution, ohne Vorbereitung, ohne Programm, ohne Berücksichtigung der Reserven, ohne Überlegung der Folgen. Andererseits lauert die neu zur Macht gelangte Schicht der Bourgeoisie gleichsam auf einen stürmischen Ausbruch von unten, um zu versuchen, mit dem Volke endgültig fertigzuwerden. Dies ist die soziale und psychologische Basis jener ergänzenden Halbrevolution, die in der Geschichte mehr als einmal Ausgangspunkt der siegreichen Konterrevolution wurde.
    Am I7. Juli 1791 schoß Lafayette auf dem Marsfelde eine friedliche Demonstration von Republikanern zusammen, die versucht hatten, sich mit einer Petition an die Nationalversammlung zu wenden, die den Treubruch der Königsmacht deckte, wie die russischen Versöhnler 126 Jahre später den Treubruch der Liberalen deckten. Die royalistische Bourgeoisie hoffte durch ein rechtzeitiges Blutbad mit der Partei der Revolution für immer fertigzuwerden. Die Republikaner, die sich noch nicht stark genug fühlten, zu siegen, wichen dem Kampfe aus, was durchaus vernünftig war. Sie beeilten sich sogar, von den Petitionären abzurücken, was jedenfalls würdelos und falsch war. Das Regime des bürgerlichen Terrors zwang die Jakobiner, sich einige Monate still zu verhalten. Robespierre fand Unterschlupf bei dem Tischler Duplay, Desmoulins hielt sich versteckt, Danton verbrachte einige Wochen in England. Doch die royalistische Provokation mißlang dennoch: das Blutgericht auf dem Marsfeld hinderte die republikanische Bewegung nicht, zum Siege zu gelangen. Die Große Französische Revolution hatte somit ihre "Julitage" sowohl im politischen wie im Kalendersinne des Wortes.
    Nach siebenundfünfzig Jahren fielen in Frankreich die "Julitage" auf den Juni und nahmen einen unermeßlich grandioseren und tragischeren Charakter an. Die sogenannten "Junitage" von 1848 erwuchsen mit unüberwindlicher Kraft aus der Februarumwälzung. Die französische Bourgeoisie proklamierte in den Stunden ihres Sieges das "Recht auf Arbeit", wie sie seit 1789 viele herrliche Dinge verkündete, und wie sie 1914 beteuerte, sie führe ihren letzten Krieg. Aus dem prunkvollen Recht auf Arbeit entstanden die kläglichen Nationalwerkstätten, wo hunderttausend Arbeiter, die für ihre Brotgeber die Macht erobert hatten, 23 Sous pro Tag bekamen. Bereits einige Wochen später fand die mit Phrasen so freigebige, aber mit Moneten so knickrige republikanische Bourgeoisie nicht genug beleidigender Worte für die "Müßiggänger", die auf die nationale Hungerration gesetzt waren. In dem Überfluß an Februar-Versprechungen und der Planmäßigkeit der Vorjuni-Provokationen zeigt sich der nationale Zug der französischen Bourgeoisie. Aber auch sonst hätten die Pariser Arbeiter, mit der Februarflinte in der Hand, nicht den Widerspruch hinnehmen können zwischen dem prunkvollen Programm und der jämmerlichen Wirklichkeit, diesen unerträglichen Kontrast, der sie täglich an Magen und Gewissen traf. Mit welch kühler und fast unverhüllter Berechnung ließ Cavaignac vor den Augen der gesamten herrschenden Gesellschaft den Aufstand anwachsen, um desto entschiedener mit ihm abzurechnen. Nicht weniger als zwölftausend Arbeiter ermordete die republikanische Bourgeoisie, nicht weniger als zwanzigtausend verhaftete sie, um die übrigen von dem Glauben an das von ihr verkündete "Recht auf Arbeit" zu kurieren. Ohne Plan, ohne Programm, ohne Leitung ähneln die Junitage von 1848 einem mächtigen und unabwendbaren Reflex des in seinen elementarsten Bedürfnissen benachteiligten und in seinen höchsten Hoffnungen betrogenen Proletariats. Die aufständischen Arbeiter wurden nicht nur niedergeschlagen, sondern auch verleumdet. Der linke Demokrat Flocon, Gesinnungsgenosse Ledru
    Rollins, eines Vorläufers Zeretellis, versicherte der Nationalversammlung, die Aufständischen seien von Monarchisten und ausländischen Regierungen bestochen. Die Versöhnler von 1848 brauchten nicht einmal die Kriegsatmosphäre, um in den Taschen der Rebellen englisches und russisches Gold zu entdecken. So bereiteten die Demokraten dem Bonapartismus den Weg.
    Das gigantische Aufbranden der Kommune verhielt sich zur Septemberumwälzung 1870 wie die Junitage zur Februarrevolution von 1848. Der Märzaufstand des Pariser Proletariats war am allerwenigsten Sache strategischer Berechnung. Er entstand aus einer tragischen Verquickung von Umständen,

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