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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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ergänzt durch eine jener Provokationen, an denen die französische Bourgeoisie, wenn Angst ihren bösen Willen anpeitscht, so erfinderisch ist. Entgegen den Plänen der regierenden Clique, die vor allem bestrebt war, das Volk zu entwaffnen, wollten die Arbeiter Paris, das sie zum erstenmal in ihr Paris umzuwandeln versuchten, verteidigen. Die Nationalgarde gab ihnen eine bewaffnete Organisation, sehr ähnlich dem Sowjettypus, und die politische Führung in Gestalt ihres Zentralkomitees. Infolge ungünstiger objektiver Verhältnisse und politischer Fehler sah sich Paris Frankreich gegenübergestellt; nicht verstanden, nicht unterstützt, zum Teil von der Provinz direkt verraten, fiel es in die Hände der wütenden Versailler, die im Rücken Bismarck und Moltke hatten. Die demoralisierten und geschlagenen Offiziere Napoleons III. erwiesen sich als unersetzliche Henker im Dienste der zärtlichen Marianne, die durch die Preußen in schweren Stiefeln eben erst aus den Umarmungen des ScheinBonaparte befreit worden war. In der Pariser Kommune erklomm der reflexive Protest des Proletariats gegen den Betrug der bürgerlichen Revolution zum erstenmal in der Geschichte die Stufe der proletarischen Umwälzung, erklomm, um jedoch gleich wieder zu fallen.
    Die Spartakuswoche im Januar 1919 in Berlin gehört zum gleichen Typ zwischenstuflicher Halbrevolutionen wie die Julitage in Petrograd. Infolge der vorherrschenden Stellung des Proletariats innerhalb der deutschen Nation, besonders ihrer Wirtschaft, hatte die Novemberumwälzung dem Arbeiter- und Soldatenrat automatisch die Staatssouveränität übergeben. Doch das Proletariat war politisch mit der Sozialdemokratie identisch, die sich selbst mit dem bürgerlichen Regime identifizierte. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei nahm in der deutschen Revolution jenen Platz ein, der in Rußland den Sozialrevolutionären und Menschewiki gehörte. Was fehlte, war eine bolschewistische Partei.
    Jeder Tag nach dem 9. November erzeugte bei den deutschen Arbeitern das lebendige Gefühl, es entgleite etwas ihren Händen, werde ihnen weggenommen, rinne zwischen den Fingern hindurch. Das Bestreben, die Errungenschaften festzuhalten, die Positionen zu stärken, Abwehr zu leisten, wuchs von Tag zu Tag. Diese defensive Tendenz lag auch bei den Januarkämpfen von 1919 zugrunde. Die Spartakuswoche begann nicht als Folge strategischer Berechnung der Partei, sondern als Folge des Drucks der empörten unteren Schichten. Sie entwickelte sich um eine drittrangige Frage, um das Verbleiben des Polizeipräsidenten auf seinem Posten, obwohl sie ihren Tendenzen nach den Beginn einer neuen Umwälzung darstellte. Beide an der Leitung beteiligten Organisationen, die Spartakisten und die linken Unabhängigen, wurden von den Ereignissen überrascht, gingen weiter, als sie wollten, doch nicht bis zu Ende. Die Spartakisten waren zu einer selbständigen Führung noch zu schwach. Die linken Unabhängigen scheuten vor den Methoden zurück, die allein zum Ziele führen konnten, schwankten, spielten Aufstand, diesen mit diplomatischen Verhandlungen verbindend.
    Die Januarniederlage erreicht nach der Zahl ihrer Opfer bei weitem nicht die gigantischen Zahlen der "Junitage" in Frankreich. Jedoch läßt sich die politische Bedeutung einer Niederlage nicht allein mit der Statistik der Ermordeten und Erschossenen messen. Es genügt, daß die junge Kommunistische Partei dabei physisch enthauptet wurde und die Unabhängige Partei gezeigt hatte, daß sie schon dem Wesen ihrer Methoden nach unfähig war, das Proletariat zum Siege zu führen. Von einem weiteren Gesichtspunkte aus gesehen haben sich die "Julitage" in Deutschland in mehreren Etappen abgespielt: Januarwoche 1919, Märztage 1921, Oktoberrückzug 1923. Die gesamte weitere Geschichte Deutschlands ergibt sich aus diesen Ereignissen. Die nicht zu Ende geführte Revolution schaltete sich auf den Faschismus um.
    In dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden Anfang Mai 1931, bereitete die unblutige, friedliche, ruhmreiche (die Liste dieser Adjektive bleibt sich stets gleich) Revolution in Spanien vor unseren Augen ihre "Junitage" vor, nimmt man Frankreichs Kalender, oder ihre "Julitage" nach dem Kalender Rußlands. In Phrasen plätschernd, die nicht selten wie eine Übersetzung aus dem Russischen erscheinen, verspricht die Madrider Provisorische Regierung weitgehende Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und Landnot, wagt aber nicht, auch nur an eine der alten

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