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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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sozialen Wunden zu rühren. Die Koalitionssozialisten helfen den Republikanern die Aufgaben der Revolution zu sabotieren. Ist es schwer, das fieberhafte Steigen der Empörung bei Arbeitern und Bauern vorauszusehen? Das Mißverhältnis zwischen dem Gang der Massenrevolution und der Politik der neuen regierenden Klassen - das ist die Quelle jenes unversöhnlichen Konflikts, der in seiner Entwicklung entweder die erste, die Aprilrevolution, begraben oder zur zweiten führen wird.
    Wenn auch die Kernmasse der russischen Bolschewiki im Juli 1917 fühlte, daß man über eine gewisse Grenze noch nicht hinausgehen dürfe, war eine einheitliche Stimmung doch nicht vorhanden. Viele Arbeiter und Soldaten waren geneigt, die sich entwickelnden Aktionen als entscheidende Lösung einzuschätzen. In seinen Erinnerungen, die fünf Jahre später geschrieben sind, äußert sich Metelew über den Sinn der Ereignisse in folgenden Worten: "An diesem Aufstande war unser Hauptfehler, daß wir dem Versöhnler-Exekutivkomitee anboten, die Macht zu ergreifen ... Nicht anbieten sollte man, sondern selbst die Macht ergreifen. Unser zweiter Fehler war, daß wir fast zweimal vierundzwanzig Stunden in den Straßen defilierten, anstatt sofort alle Ämter, Paläste, Banken, Bahnhöfe, Telegraphen zu besetzen, die gesamte Provisorische Regierung zu verhaften", und so weiter. In bezug auf einen Aufstand wäre das zweifellos richtig. Doch die Julibewegung in einen Aufstand zu verwandeln, würde fast sicher bedeutet haben, die Revolution zu begraben.
    Die Anarchisten, die zum Kampf riefen, wiesen darauf hin, daß "auch der Februaraufstand ohne Führung von Parteien vollzogen wurde". Aber der Februaraufstand hatte fertige, durch den Kampf von Generationen ausgearbeitete Aufgaben vor sich, und über dem Februaraufstand erhoben sich die oppositionelle liberale Gesellschaft und die patriotische Demokratie, vorbereitete Anwärter auf die Macht. Die Julibewegung dagegen mußte sich ein ganz neues historisches Bett bahnen. Die gesamte bürgerliche Gesellschaft, einschließlich Sowjetdemokratie, stand ihr mit unversöhnlicher Feindschaft gegenüber. Diesen Grundunterschied zwischen den Bedingungen der bürgerlichen und der proletarischen Revolution hatten die Anarchisten nicht gesehen oder nicht begriffen.
    Hätte die bolschewistische Partei sich auf der doktrinären Einschätzung der Julibewegung als einer "verfrühten" versteift, den Massen den Rücken gekehrt, der halbe Aufstand wäre unvermeidlich unter die zersplitterte und uneinige Leitung von Anarchisten, Abenteurern, zufälligen Exponenten der Massenempörung geraten und in fruchtlosen Konvulsionen verblutet. Aber auch umgekehrt: Hätte die Partei, sich an die Spitze der Maschinengewehrschützen und der Putilower stellend, auf ihre Gesamteinschätzung der Lage verzichtet und den Weg entscheidender Kämpfe beschnitten, der Aufstand hätte zweifellos kühnen Schwung genommen, und die Arbeiter und Soldaten würden unter der Leitung der Bolschewiki die Macht erobert haben, aber nur, um den Zusammenbruch der Revolution vorzubereiten. Die Frage der Macht im nationalen Maßstabe wäre, im Gegensatz zum Februar, durch einen Sieg in Petrograd nicht entschieden worden. Die Provinz hätte mit der Hauptstadt nicht Schritt gehalten. Die Front die Umwälzung nicht begriffen und nicht akzeptiert. Eisenbahn und Telegraph hätten den Versöhnlern gegen die Bolschewiki gedient. Kerenski und das Hauptquartier eine Regierung der Front und Provinz gebildet. Petrograd wäre blockiert worden. In seinen Mauern hätte Zersetzung Platz gegriffen. Der Regierung wäre es möglich gewesen, größere Soldatenmassen gegen Petrograd zu werfen. Der Aufstand hätte unter solchen Bedingungen mit einer Tragödie der Petrograder Kommune geendet.
    An der Juli-Kreuzung der historischen Wege hat nur die Einmischung der Partei der Bolschewiki beide Varianten der schicksalvollen Gefahr verhindert: sowohl die im Geiste der Junitage von 1848 wie die im Geiste der Pariser Kommune von 1871. Dank der Tatsache, daß die Partei sich kühn an die Spitze der Bewegung stellte, erhielt sie die Möglichkeit, die Massen in dem Moment anzuhalten, wo die Demonstration sich in ein bewaffnetes Kräftemessen zu verwandeln begann. Der Schlag, der im Juli den Massen und der Partei zugefügt wurde, war sehr empfindlich. Aber es war kein entscheidender Schlag. Die Opfer zählten nach Zehnern, nicht nach Zehntausenden. Die Arbeiterklasse ging aus der Prüfung weder

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