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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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mußte, sie schleunigst nach Irkutsk zurückzuführen. Doch Krasnojarsk bildete eher eine Ausnahme.
    In den meisten Gouvernements- und Kreisstädten war die Lage viel ungünstiger. In Samara zum Beispiel hatte die bolschewistische Organisation bei der Nachricht von den Kämpfen in der Hauptstadt "auf ein Signal gewartet, obwohl man fast mit niemand rechnen konnte". Eines der Parteimitglieder am Ort erzählt: "Die Arbeiter begannen, mit den Bolschewiki zu sympathisieren", doch zu hoffen, sie würden sich in den Kampf stürzen, war unmöglich; mit den Soldaten konnte man noch weniger rechnen; was die Organisation der Bolschewiki betraf, so "waren die Kräfte sehr schwach, - wir waren ein Häuflein; im Sowjet der Arbeiterdeputierten gab es der Bolschewiki nur wenige Mann und im Soldatensowjet scheinbar überhaupt keine, er bestand ja fast ausschließlich. aus Offizieren". Die Hauptursache des schwachen und uneinheitlichen Widerhalls im Lande bestand darin, daß die Provinz, die ohne Kämpfe die Februarrevolution aus den Händen Petrograds, übernommen hatte, viel langsamer als die Hauptstadt die neuen Tatsachen und Ideen verdaute. Es war eine ergänzende Frist nötig, damit die Avantgarde die schweren Reserven politisch an sich heranziehen konnte.
    Der Stand des Bewußtseins der Volksmassen, als die entscheidende Instanz revolutionärer Politik, schloß somit im Juli die Möglichkeit der Machtergreifung durch die Bolschewiki aus. Zugleich bewog die Offensive an der Front die Partei, sich Demonstrationen zu widersetzen. Der Zusammenbruch der Offensive war völlig unvermeidlich. Faktisch hatte er schon begonnen. Aber das Land wußte es noch nicht. Die Gefahr bestand darin, daß die Regierung im Falle einer Unvorsichtigkeit der Partei versuchen würde, die Verantwortung für die Folgen ihres eigenen Wahnsinns auf die Bolsche-wiki abzuwälzen. Man mußte der Offensive Zeit lassen, sich zu erschöpfen. Die Bolschewiki zweifelten nicht daran, daß der Umschwung in den Massen sich sehr schroff gestalten würde. Dann konnte man sehen, was zu unternehmen. Die Berechnung war durchaus richtig. Jedoch besitzen die Ereignisse ihre eigene Logik, die nicht nach politischen Berechnungen fragt, und diesmal brach sie grausam über die Köpfe der Bolschewiki herein.
    Der Mißerfolg der Offensive an der Front nahm am 6. Juli den Charakter einer Katastrophe an, als die deutschen Truppen die russische Front in einer Ausdehnung von zwölf Werst* Breite und zehn Werst Tiefe durchbrachen. In der Hauptstadt wurde der Durchbruch am 7. Juli bekannt, gerade als die Niederschlagungs- und Strafaktionen auf dem Gipfel waren. Noch viele Monate später, als die Leidenschaften sich beruhigt oder doch einen geklärteren Charakter angenommen haben sollten, schrieb Stankewitsch, nicht der bösartigste Gegner des Bolschewismus, dennoch von "der rätselhaften Konsequenz der Ereignisse", - in Gestalt des Durchbruchs bei Tarnopol unmittelbar nach den Julitagen in Petrograd. Diese Menschen sahen nicht oder wollten nicht sehen, die wirkliche Konsequenz der Ereignisse, die darin bestand, daß die unter dem Stock der Entente begonnene hoffnungslose Offensive zu nichts anderem als zu einer militärischen Katastrophe führen konnte und gleichzeitig den Empörungsausbruch der durch die Revolution betrogenen Massen hervorrufen mußte. Aber war es nicht gleich, wie es sich in Wirklichkeit verhielt? Die Petrograder Demonstration mit dem Mißerfolg an der Front zu verbinden, war zu verlockend. Die patriotische Presse verheimlichte die Niederlage nicht nur nicht, im Gegenteil, sie übertrieb sie aus allen Kräften, ohne vor Aufdeckung von Kriegsgeheimnissen haltzumachen: Divisionen und Regimenter wurden genannt, ihre Stellung angegeben. "Seit dem 8. Juli", gesteht Miljukow, "druckten die Zeitungen. vorsätzlich offene Telegramme von der Front, die die russische Öffentlichkeit wie Donner trafen." Darin eben bestand die Absicht: erschüttern, erschrecken, betäuben, um desto leichter die Bolschewiki mit den Deutschen in Verbindung bringen zu können.
    Provokation hat zweifellos eine gewisse Rolle gespielt bei den Ereignissen an der Front, wie auch in den Straßen Petrograds. Nach der Februarumwälzung hatte die Regierung in die aktive Armee eine große Anzahl ehemaliger Gendarmen und Schutzleute geworfen. Keiner von ihnen wollte natürlich Krieg führen. Sie fürchteten die russischen Soldaten mehr als die Deutschen. Um ihre Vergangenheit vergessen zu machen, imitierten sie

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