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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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mußte die Sowjetführer um so mehr außer sich bringen als, unter dem doppelten Schlag, ihre ganze Aufmerksamkeit auf einen gerade entgegengesetzten Weg gerichtet war. Ist man gezwungen, das blutige Joch im Bunde mit der Entente zu tragen, so lassen sich doch keine besseren Vermittler finden als die Kadetten. Tschaikowski, einer der ältesten russischen Revolutionäre, während der langen Emigrationsjahre zu einem gemäßigten britischen Liberalen geworden, sprach belehrend: "Für den Krieg braucht man Geld, aber den Sozialisten werden die Alliierten kein Geld geben." Den Versöhnlern war dieses Argument peinlich, doch begriffen sie sein ganzes Gewicht.
    Das Kräfteverhältnis veränderte sich offensichtlich zuungunsten des Volkes, doch konnte niemand sagen, in welchem Grade. Die Appetite der Bourgeoisie waren jedenfalls viel stärker gewachsen als ihre Möglichkeiten. In dieser Unbestimmtheit lag die Quelle der Zusammenstöße, denn die Klassenkräfte werden in der Aktion überprüft, und Ereignisse der Revolution laufen auf solche wiederholte Nachprüfungen hinaus. Jedoch wie groß dem Umfang nach die Verschiebung der Macht von links nach rechts auch sein mochte, sie berührte wenig die Provisorische Regierung, die ein leerer Fleck blieb. Die Menschen, die sich in den kritischen Julitagen für das Ministerium des Fürsten Lwow interessierten, kann man an den Fingern abzählen. General Krymow, der nämliche, der einstmals mit Gutschkow über die Entthronung Nikolaus' II. verhandelt hatte - wir werden diesem General bald zum letztenmal begegnen -, richtete an die Adresse des Fürsten ein Telegramm, das mit der Belehrung schloß: "Es ist an der Zeit, von Worten zur Tat überzugehen." Der Rat klang wie Hohn und unterstrich nur noch schärfer die Ohnmacht der Regierung.
    "Anfang Juli", schrieb später der Liberale Nabokow, "gab es einen kurzen Moment, wo die Autorität der Regierung gleichsam wieder gestiegen war; das war nach der Unterdrückung des ersten bolschewistischen Auftretens. Doch diesen Moment verstand die Provisorische Regierung. nicht auszunutzen, und die damaligen günstigen Bedingungen wurden verpaßt. Sie kehrten nicht mehr wieder." In gleichem Sinne äußerten sich auch andere Vertreter des rechten Lagers. In Wirklichkeit haben in den Julitagen, wie in allen kritischen Augenblicken überhaupt, die einzelnen Bestandteile der Koalition verschiedene Zwecke verfolgt. Die Versöhnler wären durchaus bereit gewesen, die endgültige Niederschlagung der Bolschewiki zu dulden, würde es nicht augenscheinlich gewesen sein, daß die Offiziere, Kosaken, Georgsritter und Stoßtrupps nach der Abrechnung mit den Bolschewiki die Versöhnler selbst zerschmettert hätten. Die Kadetten wollten bis ans Ende gehen, um nicht nur die Bolschewiki, sondern auch die Sowjets hinwegzufegen. Allein nicht zufällig standen die Kadetten in aller scharfen Momenten außerhalb der Regierung. Letzten Endes vertrieb sie von dort der trotz allen versöhnlerischen Puffern unüberwindliche Druck der Massen. Auch wenn es den Liberalen gelungen wäre, die Macht zu ergreifen, sie hätten sie nicht zu halten vermocht. Die Ereignisse haben das nachträglich erschöpfend bewiesen. Der Gedanke von der angeblich im Juli versäumten Möglichkeit ist eine retrospektive Illusion. Jedenfalls hat der Julisieg die Macht nicht nur gefestigt, sondern im Gegenteil die Periode der schleichenden Regierungskrise eingeleitet, die formell erst am 24. Juli gelöst wurde, tatsächlich aber den Eintritt der vier Monate währenden Agonie des Februarregimes darstellte.
    Die Versöhnler zerrissen sich zwischen der Notwendigkeit, die Halbfreundschaft mit der Bourgeoisie wiederherzustellen, und dem Bedürfnis, die Feindseligkeit der Massen zu mildern. Lavieren wird für sie Daseinsform, die Zickzacks verwandeln sich in ein fieberhaftes Hin und Her, doch die Grundlinie nimmt schroff die Richtung nach rechts. Am 7. Juli ordnet die Regierung eine ganze Reihe von Repressivmaßregeln an. Aber in derselben Sitzung, gleichsam im Verstohlenen, die Abwesenheit der "Erwachsenen", das heißt der Kadetten, ausnutzend, schlugen die Minister-Sozialisten der Regierung vor, an die Verwirklichung des Programms des Sowjetkongresses vom Juni heranzugehen. Das führte unverzüglich zum weiteren Zerfall der Regierung. Der Großgrundbesitzer und ehemalige Vorsitzende des Semstwo-Verbandes, Fürst Lwow, beschuldigt die Regierung, ihre Agrarpolitik "untergräbt das Rechtsbewußtsein des

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