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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Wohltätigkeitsabende zugunsten der verwundeten Kosaken und der Familien der Getöteten. Das Büro des Exekutivkomitees war gezwungen, eine Kommission zu wählen mit Tschcheidse an der Spitze zur Teilnahme an den Vorbereitungen für die Beerdigung der "bei Erfüllung der revolutionären Pflicht in den Tagen vom 3. bis 5. Juli gefallenen Krieger". Den Kelch der Erniedrigung mußten die Versöhnler bis zur Neige leeren. Das Zeremoniell begann mit einer Liturgie in der Isaak-Kathedrale. Die Särge wurden von Rodsjanko, Miljukow, Fürst Lwow und Kerenski auf den Händen hinausgetragen und im Prozessionszug zur Beisetzung in das Alexandro-Newski-Kloster gebracht. Auf dem ganzen Weg des Zuges war die Miliz entfernt worden, den Ordnungsdienst hatten die Kosaken übernommen: der Begräbnistag war ein Tag ihrer absoluten Herrschaft über Petrograd. Die von den Kosaken ermordeten Arbeiter und Soldaten, Blutsbrüder der Februaropfer, wurden ganz im stillen beerdigt, wie man einst unter dem Zarismus die Opfer des 9. Januar begrub.
    An das Kronstädter Exekutivkomitee stellte die Regierung, unter Androhung, die Insel zu blockieren, die Forderung, Raskolnikow, Roschal und den Fähnrich Remnew unverzüglich den Untersuchungsbehörden auszuliefern. In Helsingfors wurden neben den Bolschewiki zum erstenmal auch linke Sozialrevolutionäre verhaftet. Der zurückgetretene Fürst Lwow beklagte sich in den Zeitungen darüber, daß "die Sowjets tief unter dem Niveau der Staatsmoral stehen und sich von den Leninisten, diesen Agenten der Deutschen, nicht gesäubert haben". Ehrensache für die Versöhnler wurde es, ihre Staatsmoral zu beweisen! Am 13. Juli nehmen die Exekutivkomitees in gemeinsamer Sitzung eine von Dan eingebrachte Resolution an: "Alle Personen, gegen die von der Gerichtsbehörde Anklage erhoben ist, werden bis zur gp-richtlichen Entscheidung von der Teilnahme an den Exekutivkomitees ausgeschlossen." Die Bolschewiki wurden damit faktisch außerhalb des Gesetzes gestellt. Kerenski verbot die gesamte bolschewistische Presse. In der Provinz fanden Verhaftungen der Landeskomitees statt. Die Iswestja jammerten ohnmächtig: "Noch vor wenigen Tagen waren wir Zeugen der Orgie der Anarchie in den Straßen von Petrograd. Heute fließen in denselben Straßen unaufhaltsam konterrevolutionäre und Schwarzhundert-Reden."
    Nach Auflösung der revolutionären Truppenteile und Entwaffnung der Arbeiter verschob sich das Gleichgewicht noch mehr nach rechts. In den Händen der Militärspitzen, der Bank- und Industrie- wie der Kadettengruppen konzentrierte sich unverhüllt ein beträchtlicher Teil der realen Macht. Der übrige Teil blieb nach wie vor in den Händen der Sowjets. Die Doppelherrschaft war offensichtlich, aber nicht mehr die legalisierte Kontakt- oder Koalitionsdoppelherrschaft der vorangegangenen Monate, sondern die explosive Doppelherrschaft von Cliquen, der militärisch-bürgerlichen und der versöhnlerischen, die einander fürchteten, aber gleichzeitig einander brauchten. Was blieb übrig? Die Koalition wiederherzustellen. "Nach dem Aufstand vom 3. bis 5. Juli", sagt Miljukow mit Recht, "verschwand die Koalitionsidee nicht nur nicht, sondern gewann, im Gegenteil, vorübergehend stärkere Kraft und Bedeutung als früher."
    Das Provisorische Komitee der Reichsduma erlebte plötzlich seine Auferstehung und nahm eine scharfe Resolution gegen die Rettungsregierung an. Das war der letzte Stoß. Sämtliche Minister händigten ihre Portefeuilles Kerenski aus und verwandelten ihn damit allein schon in den Mittelpunkt der nationalen Souveränität. Für das weitere Schicksal des Februarregimes wie für das persönliche Schicksal Kerenskis erhielt dieses Moment große Bedeutung: im Chaos der Gruppierungen, Verabschiedungen und Ernennungen zeichnete sich nun so etwas wie ein unverrückbarer Punkt ab, um den sich alle anderen drehten. Die Verabschiedung der Minister war nur der Auftakt zu Unterhandlungen mit den Kadetten und Industriellen. Die Kadetten stellten ihre Bedingungen: Verantwortlichkeit der Regierungsmitglieder "ausschließlich vor ihrem Gewissen"; restlose Einigung mit den Alliierten; Wiederherstellung der Disziplin in der Armee; keinerlei soziale Reformen vor der Konstituierenden Versammlung. Einen ungeschriebenen Punkt bildete die Forderung, die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung zu vertagen. Das nannte man "überparteiliches und nationales Programm". Im gleichen Geiste antworteten die Vertreter von Handel und Industrie,

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