Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
gegenüber die Versöhnler sich verpflichteten, die Bolschewiki niederzuschlagen.
Den Clou des letzten Tages bildete das Auftreten des Generals Alexejew, dessen Autorität die Unfähigkeit der alten Militärkanzlei verkörperte. Unter maßlosem Beifall von rechts sprach der ehemalige Stabschef Nikolaus' II. und Organisator der Niederlagen der russischen Armee von jenen Zerstörern, "in deren Taschen melodisch die deutsche Mark klingt". Für die Wiederherstellung der Armee sei Disziplin nötig, für die Disziplin die Autorität der Vorgesetzten, wofür wiederum Disziplin nötig sei. "Nennen Sie die Disziplin die eiserne, nennen Sie sie die zielbewußte, nennen Sie sie die wahre ... die Fundamente dieser Disziplin sind die gleichen." Für Alexejew endete die Geschichte mit dem Reglement des Innendienstes. "Ist es, meine Herren, tatsächlich so schwer, irgendein illusorisches Vorrecht - die Existenz von Organisationen [Lachen links] - für eine gewisse Zeit zu opfern." (Lärm und Rufe links.) Der General redete gut zu, ihm die entwaffnete Revolution zur Benutzung auszuliefern, aber nicht für immer, Gott bewahre, nur "für eine gewisse Zeit": nach Beendigung des Krieges wollte er den Gegenstand guterhalten zurückgeben. Doch Alexejew schloß mit einem nicht üblen Aphorismus: "Maßnahmen tun not, nicht halbe Maßnahmen." Diese Worte trafen Tschcheidses Deklaration, die Provisorische Regierung, die Koalition, das gesamte Februarregime. Maßnahmen, nicht halbe Maßnahmen! - damit waren auch die Bolschewiki einverstanden.
General Alexejew wurden sogleich Delegierte der Petrograder und der Moskauer linken Offiziere entgegengestellt, die "unseren höchsten Vorgesetzten, den Kriegsminister", unterstützten. Nach ihnen sprach Leutnant Kutschin, ein alter Menschewik, als Redner "der Frontgruppe der Staatsberatung" im Namen der Soldatenmillionen, die sich jedoch wohl kaum im Spiegel des Versöhnlertums wiedererkannt haben dürften. "Wir alle haben das Interview des Generals Lu-komski in den Zeitungen gelesen, wo es heißt: Wenn die Alliierten nicht helfen, wird Riga preisgegeben werden ... " Weshalb hat das höhere Kommando, das Mißerfolge und Niederlagen stets verheimlichte, plötzlich das Bedürfnis verspürt, die Farben so düster aufzutragen? Die Zwischenrufe "Schande!" von links zielten auf General Kornilow, der am Vorabend in der Beratung den gleichen Gedanken entwickelt hatte. Kutschin berührte hier die empfindlichste Stelle der besitzenden Klassen: die Spitzen der Bourgeoisie, der Kommandobestand, die gesamte rechte Saalhälfte waren durch und durch von defätistischen Tendenzen durchdrungen, auf ökonomischem, politischem und militärischem Gebiet. Die Devise dieser soliden, ausgeglichenen Patrioten war geworden: je schlimmer je besser! Doch der Versöhnlerredner beeilte sich an dem Thema vorbeizugehen, das ihm selbst den Boden unter den Füßen entzog. "Ob wir die Armee retten werden, wissen wir nicht", sagte Kutschin, "aber wenn wir sie nicht retten, wird auch das Kommando sie nicht retten ..." - "Es wird retten !" ruft man von den Offiziersbänken. Kutschin: "Nein, es wird nicht retten!" Beifallsausbruch bei der Linken. So tauschten Kommandeure und Komitees, auf deren Scheinsolidarität das Programm der Gesundung der Armee aufgebaut war, Feindseligkeiten aus. So tauschten die zwei Hälften der Beratung, die das Fundament der "ehrlichen Koalition" bildeten, gegeneinander Rufe aus. Diese Zusammenstöße waren nur das schwache, unterdrückte, par-lamentarisierte Echo jener Gegensätze, unter denen das Land erbebte.
Der bonapartistischen Inszenierung gehorchend, wechselten Redner von rechts und links sich ab, nach Möglichkeit einander ausgleichend. Wenn die Hierarchen der rechtgläubigen Kirchenversammlung Kornilow unterstützten, dann stellten sich die Vertreter der evangelischen Christen auf seiten der Provisorischen Regierung. Die Delegierten der Semstwos und der Stadtdumas traten paarweise auf: der eine, von der Mehrheit, schloß sich Tschcheidses Deklaration an, der von der Minderheit der Deklaration der Reichsduma.
Die Wortführer der unterdrückten Nationalitäten beteuerten nacheinander der Regierung ihren Patriotismus, flehten jedoch, sie nicht länger zu betrügen: allerorts herrschen die gleichen Beamten, die gleichen Gesetze und die gleiche Bedrückung. "Zögern ist unmöglich. Von bloßen Versprechungen kann kein Volk leben." Das revolutionäre Rußland müsse zeigen, daß es "Mutter", nicht
Weitere Kostenlose Bücher