Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)
Andere Frauen migrierten aus eigener Initiative und in Verfolgung eigener Ziele. Frauen hochrangiger kolonialer Administratoren waren Teil der rituellen Machtdemonstration in vielen unterjochten Regionen. Je nach Kolonialreich oder Periode förderten die imperialen Planer der kolonialen Herrschaft zunächst die Verbindungen zwischen Männern und einheimischen Frauen. Dabei galten Konkubinate in medizinischer Hinsicht als weniger gefährlich als Beziehungen zu Prostituierten. Die Körper kolonisierter Frauen sollten für die kolonisierenden Männer verfügbar sein. Japanische Militärplaner zwangen koreanische Frauen, als Prostituierte für Soldaten zu dienen.
Allerdings gefielen den weißen kirchlichen Behörden einvernehmliche Beziehungen zwischen zugewanderten Männern und einheimischen Frauen unterschiedlicher Hautfarbe überhaupt nicht. Imperiale christliche Missionare forderten monogame, kirchliche Eheschließungen zwischen Weißen und untermauerten ihr Dogma, indem sie nicht-weiße Frauen als Squaws, promisk und schmutzig stigmatisierten. Sie mischten sich nicht ein, wenn Plantageneigner und ihre Aufseher sich weigerten, die Lohnausgaben im Verhältnis 1:1 zwischen Männern und Frauen, produktiver und reproduktiver Arbeit aufzuteilen, indem sie Frauen von der Arbeitskräfterekrutierung ausschlossen. In Anbetracht der niedrigen Löhne konnten es sich Männer nicht leisten, unbeschäftigte Frauen mitzubringen. Einige Politiker, zum Beispiel in Australien, räumten ein, dass eine solche Trennung von Ehemann und Ehefrau durch eine Politik, die nur männlichen Arbeitskräften die Zuwanderung erlaubt, unmenschlich sei. Trotzdem änderten sie nichts an dem bestehenden System, da «farbige» Kinder von «Kuli»-Paaren, die auf australischem Boden zur Welt kamen, als britische Staatsbürger galten und, falls es Jungen waren, die Sorge bestand, dass sie als Erwachsene Partnerschaften mit weißen Frauen eingingen. Zuwanderungsausschluss auf der Basis der Hautfarbe als phänotypischem Marker wurde behandelt, als sei dies eine Notwendigkeit, um den Fortbestand der weißen Rasse zu sichern. Nicht Sex, sondern seine potentiellen lebensspendenden Folgen verursachten rassische Exklusion. Individuelle Identifikationen und Identitätszuschreibungen wurden bestimmt von globalen Machtbeziehungen, die durch migrierende Kolonialbedienstete vermittelt wurden.[ 56 ]
Die «imperiale Anthropologie» umfasst die Analyse der Konstruktion von Anderen in genderspezifischen und sexualisierten Begriffen – einschließlich sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die Beziehungen betreffen jedoch auch einvernehmliche Verbindungen und den damit einhergehenden kulturellen Austausch, «zärtliche Beziehungen» an den «intimen Grenzzonen des Empire», wie Sylvia van Kirk anmerkte. Das Regime der Migration unfreier Arbeitskräfte, das die überwiegend männlichen Arbeitskräfte der Option beraubte, kulturelle und, durch familiäre Fortpflanzung, generationenübergreifende Gemeinschaften aufzubauen, war die Kehrseite von Prozessen der Nationenbildung auf der Basis von Familien, in denen Mütter Kindern nationale Tugenden einschärften. Weder polnische Erntehelfer im Deutschen Reich noch indische Plantagenarbeiter im Britischen Empire konnten als Familien migrieren. Die Migrantenaufnahme- und -ausschlussregime der Nationalstaaten sowohl für die Metropole als auch für die Kolonien waren zutiefst von Gender- und Rassenkonstruktionen bestimmt.[ 57 ]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der umfassende oder «systemische» Migrationsansatz es erforderlich macht, dass die Ausgangsgesellschaft, als ein Rahmen von Staat und Nation, als eine Region und ein Ursprungsort, in ihrer ganz vielschichtigen Komplexität untersucht wird, um das individuelle und das soziale Kapital, das Migranten bei der Abreise besitzen, und die Netzwerke, in denen sie handeln, zu verstehen. Diese Gesellschaft muss im Hinblick auf Arbeits- und Einkommenschancen sowie rassische und ethnische Hierarchien und zwischenstaatliche Machtbeziehungen in eine globale Perspektive eingeordnet werden. Innerhalb jeder Gruppe bestimmen Geschlechterrollen und -verhältnisse sowohl die Migrationsbeziehungen als auch Diskriminierungen und Einkommensunterschiede. In einigen Gesellschaften müssen Kinder und junge Adoleszente auswandern, und sie sollten daher getrennt erforscht werden. Nur ein Ansatz, der die Zuschreibung von Geschlechterrollen berücksichtigt, kann die Entstehung
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