Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)
ließen alle Japaner und Kanadier japanischer Abstammung, die in einem 160 Kilometer breiten Streifen an der Küste lebten, weiter ins Landesinnere umsiedeln; ihre beschlagnahmten Immobilien wurden verkauft. Von den 275.000 japanischstämmigen Männern und Frauen in den Vereinigten Staaten und Hawaii wurden über 100.000 in Konzentrationslager in der Wüste umgesiedelt. Vierzig Jahre später räumte die US-Regierung ein, dass diese Maßnahme «nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt war», sondern auf «rassische Vorurteile, Kriegshysterie und ein Versagen der politischen Führung» zurückzuführen war.
In China ging der Krieg weiter. Die Nationalisten (Guomindang) und die Kommunisten erhielten Unterstützung vom Westen beziehungsweise vom Ostblock. Folglich wurden weiterhin Flüchtlinge produziert, und die Umsiedlung verzögerte sich. Nach der Regierungsübernahme durch die Kommunisten 1949 kam es zu einer Massenflucht von Nationalisten in die britische Enklave Hongkong und nach Taiwan. Weitere 340.000 Flüchtlinge, Grundbesitzer und insbesondere Studenten, strömten in Nachbarländer, überwiegend nach Burma und in geringerer Zahl nach Laos und Portugiesisch-Macao. In Taiwan stürzten die etwa 2 Millionen Neuankömmlinge nach Art eines Besatzungsregimes handstreichartig die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen. Die Einwohnerzahl Hongkongs, die 1941 1,6 Millionen betragen hatte, verdoppelte sich bis 1961. Flüchtlinge, die in südostasiatischen Ländern eintrafen, konnten mit Unterstützung durch Diaspora-Chinesen rechnen, die oftmals weitläufige Verwandte waren. Im Jahr 1953 lebten 13,4 Millionen «Überseechinesen» in sechzehn Ländern oder Enklaven, und weitere 300.000 in den beiden Amerikas, Ozeanien, Afrika und Europa. Im südostasiatischen Segment der nachfolgenden Welt des Kalten Krieges stempelten etliche «nationalistische» Bewegungen – eine irreführende Bezeichnung angesichts der multiethnischen Bevölkerung in jeder Region – Diaspora-Chinesen als Brückenkopf bzw. dritte Kolonne des «kommunistischen» Chinas ab und machten sie zur Zielscheibe von Repressalien oder auch zu Opfern grausamer Gemetzel. Viele waren gezwungen, in die Volksrepublik, nach Taiwan oder Hongkong zu fliehen oder sich um Aufnahme in Ländern mit bestehenden chinesischen Gemeinschaften wie den Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien oder den Niederlanden zu bemühen. Später ermöglichte die Abschaffung rassifizierter Aufnahmekriterien in Kanada (1962–63) und in den Vereinigten Staaten (1965) eine neue Phase von Massenmigrationen aus Asien nach Nordamerika.[ 137 ]
Bei Kriegsende zählte man in Europa dreißig Millionen Flüchtlinge und zwischen 55 und 60 Millionen Tote; angesichts dessen verpflichteten sich die Alliierten dazu, Bedingungen zu schaffen, die sämtlichen Flüchtlingen und displaced persons die Rückkehr ermöglichen sollten. Im Westen war dies ein Vorwand dafür, die Kosten verursachenden Vertriebenen zurückzuschicken, und seitens Sowjet-Russlands ein Vorwand, um Flüchtlinge nicht frei darüber entscheiden zu lassen, wo sie ein neues Leben beginnen wollten. In der sowjetischen Befreiungs- und Besatzungszone mussten Flüchtlinge aufgrund der Zerstörung eines Großteils der Infrastruktur zunächst, auf sich allein gestellt, migrieren. Und das Gleiche taten Männer und Frauen in dem allgemeinen Chaos, das nach dem Waffenstillstand in den Zonen der Westalliierten herrschte. In diesen erhielten zivile Flüchtlinge, Zwangsarbeiter und jüdische Überlebende der Todeslager, sogenannte displaced persons , um sie von Kriegsgefangenen und demobilisierten Soldaten zu unterscheiden, eine gewisse Unterstützung von Hilfsorganisationen, und Hunderttausende wurden in die Vereinigten Staaten, Kanada und Australien umgesiedelt. Polnische Soldaten entschieden sich, in Großbritannien zu bleiben. Etwa 200.000 displaced persons , sogenannte «Härtefälle», blieben als «Staatenlose» in Westdeutschland. Die besonderen Bedürfnisse der vielleicht eine Million Holocaust-Überlebenden jüdischen Glaubens wurden nicht anerkannt. Palästina blieb ihnen verschlossen, weil Großbritannien arabische und jüdische Interessen ausbalancieren musste. Bis Ende 1946 waren 170.000 Überlebende aus Polen, wo der Antisemitismus weiterhin grassierte, in Gebiete geflohen, die von den Westalliierten verwaltet wurden. Ihre Hoffnungen darauf, Aufnahme in Nordamerika zu finden, scheiterten an
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