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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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indem er Vicksburg zur Kapitulation zwang, womit Texas vom Kerngebiet der Konföderation abgeschnitten und die Nord-Süd-Transportachse der westlichen Konföderation unterbrochen war. Der Versuch des Südens, im Osten nach Pennsylvania (und weiter) vorzudringen, hatte anfangs vielversprechende Resultate gebracht – und zwar genau in dem Moment, da die Antikriegsstimmung unter den zugewanderten Arbeitern in New York, denen jetzt die Einberufung drohte, stärker wurde. Doch die Niederlage bei Gettysburg im Juli 1863 bedeutete, dass der Süden fortan nur noch aus der Defensive heraus agieren konnte.
    Es sollte jedoch noch einmal zwei Jahre dauern, bis eine zunehmend in Mitleidenschaft gezogene Konföderation schließlich kapitulierte. Lincoln fand schließlich in Ulysses Grant einen entschlossenen, harten Befehlshaber, doch auch der kam nur langsam voran. Die Kämpfe 1864 in Virginia waren ungeheuer verlustreich. Vielversprechender war die Taktik von General Sherman, der von Tennessee nach Georgia vorrückte und dabei eine Strategie der «verbrannten Erde» verfolgte. Er eroberte Atlanta, marschierte dann Richtung Küste bei Augusta und schließlich gen Norden durch die beiden Carolinas. Seine Truppe vereinte sich im Frühjahr 1865 in der Nähe von Richmond mit Grants Soldaten und erzwang die Kapitulation der verbliebenen Konföderierten-Streitkräfte. Der Süden war verwüstet. Seine schwarzen Arbeitskräfte waren nun rechtlich gesehen freie Menschen, und viele flohen von ihren Plantagen. Nahrungsmittel waren knapp, Eisenbahnen und Häuser oft zerstört. Marodierende Banden von Plünderern terrorisierten Teile des ländlichen Raums. Der Krieg hatte die Ökonomie des Südens schwer in Mitleidenschaft gezogen; er hatte den Einfluss der ehemaligen Sklavenhalter-Elite reduziert, dafür aber die Rolle der wieder eingesetzten Zentralregierung ausgeweitet und letztlich die Industriebosse von Nord und Süd in ihrer Entschlossenheit geeint, aus Technologie gleichermaßen Reichtum zu schöpfen wie aus Baumwolle und Weizen.[ 81 ]
    Leider löste der Ausgang des Krieges weder die Frage des Rassismus noch die der ökonomischen Überlebensfähigkeit. Die schwarzen Familien des Südens waren zwar rechtlich emanzipiert, hatten aber keinen Anspruch auf Landbesitz und waren weiterhin als Pächter dort tätig, wo sie früher als Sklaven gearbeitet hatten. Von ihren vormaligen Herren brauchten sie nun dringend Kredite, um Jahr für Jahr ihre Baumwollpflanzen anbauen zu können, von deren Ertrag dann wiederum ein Großteil in die Schuldentilgung und in die Pachtzahlungen floss – die amerikanische Version eines «Teilpächtertums», das zu vielen Zeiten und an vielen Orten zu finden war –, was viele in einen Teufelskreis der Schuldabhängigkeit trieb. Die Truppen des Nordens hielten den Süden gut ein Jahrzehnt besetzt, erzwangen ein Stimmrecht ohne Rassendiskriminierung und schienen bereit, die Gleichberechtigung der Rassen durchzusetzen. Doch die Schwarzen waren arm; die Parlamente hatten Vorbehalte, und weiße Bürgerwehren tyrannisierten die örtliche Bevölkerung mit nächtlichem Terror. Die Republikaner im Kongress, die den Konflikt satt hatten und sich bei der Hängepartie der Präsidentschaftswahl 1876 den Sieg sichern wollten, vereinbarten, die verbliebenen Truppen abzuziehen. Innerhalb von zwei Jahrzehnten waren die Schwarzen wieder weitgehend vom Wahlrecht ausgeschlossen, wurden von weißen paramilitärischen Horden terrorisiert und waren zum Schuldendienst verdammt. Bemühungen, arme Weiße und Schwarze gegen die weißen «Bourbon»-Eliten zu vereinen, scheiterten üblicherweise an der rassistischen Demagogie. In den 1890er Jahren sollte sich die ehemalige Konföderation zu von Großgrundbesitzern beherrschten Einparteienstaaten wie Ungarn oder Rumänien gesellen, wo an die Stelle der legalen Knechtschaft ethnischer Zwang, Verarmung der Bauern, ein manipuliertes Wahlrecht, das pauperisierende Peonage-Lohnsystem und überzogene Ideologien nationaler Reinheit getreten waren.[ 82 ]
    Auch die beiden großen geographischen Einheiten im Süden und im Norden der Vereinigten Staaten – Mexiko und Kanada – erlebten bedeutsame Veränderungen, bei denen sich eine institutionelle Transformation, die Besiedlung eines riesigen Territoriums, ökonomische Entwicklung und die Konsolidierung einer neuen Elite miteinander verbanden. Die mexikanische Republik war, wie einer ihrer Präsidenten scherzte, dazu verdammt, sich so fern von Gott

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