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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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waren, was es schwer machte, stabile Mehrheiten zu bilden.
    Als die Weltwirtschaftskrise 1930 die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellen ließ, fand sich keine Mehrheit für die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung, sodass Reichspräsident und Reichskanzler auf das in der Weimarer Verfassung festgelegte Notverordnungsrecht (Artikel 48) zurückgreifen mussten, um den Haushalt zu verabschieden. In dieser Situation konnten die Kommunisten auf der Linken und Hitlers Nationalsozialisten auf der Rechten (auch wenn dieser Begriff ihrem Radikalismus nicht wirklich gerecht wird) gegen «das System» hetzen. Sie konnten stets heftige Kritik an den im Versailler Vertrag festgelegten Reparationszahlungen üben und sogar an den verringerten Forderungen, wie sie im Dawes-Plan von 1924 und dem Young-Plan von 1930 vorgesehen waren. Sie konnten fordern, die Nachkriegsgrenzen im Osten (und der polnische Korridor, der Ostpreußen vom Rest Deutschlands trennte) müssten wieder korrigiert werden.
    Und anders als die italienischen Faschisten (zumindest bis 1938) konnten sie gegen die Minderheit der Juden hetzen, die für diese Übel verantwortlich und überhaupt den deutschen Interessen gegenüber feindselig eingestellt seien. Auch wenn einige NS-Anhänger und Propagandisten genug attackieren konnten, ohne speziell auf das «jüdische Unglück» Deutschlands zu verweisen, blieb der Antisemitismus ein Kernelement der Bewegung, wie er auch den Diskurs anderer Parteien befallen hatte – er war so etwas wie die politische lingua franca der Rechten in Mittel- und Osteuropa. Angeblich kontrollierten die Juden Banken und Medien, infiltrierten Universitäten und Theater, beuteten die Bauern aus und besudelten auch noch das Blut der nicht-jüdischen Frauen, mit denen sie schliefen.
    Nach zwei Jahren parlamentarischer Lähmung und Wahlen 1930, im Juli 1932 sowie im November 1932, nach denen die NSDAP im Reichstag fast vierzig Prozent der Abgeordneten stellte (und in einigen wichtigen Ländern an Regierungskoalitionen beteiligt war), brach das politische System der Weimarer Republik zusammen. Rivalisierende Kanzlerkandidaten torpedierten einander und drängten hohe Militärs zu der Behauptung, das Land sei möglicherweise nicht mehr verteidigungsbereit. Die paramilitärischen Abteilungen der Parteien lieferten sich an den Wochenenden Saalschlachten in den Städten, sodass viele einen Bürgerkrieg befürchteten. Die Clique um den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg war der Ansicht, allein die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler könne für Stabilität sorgen, er werde, einmal an der Macht, von den traditionellen konservativen Kreisen aus Wirtschaft und Militär schon kontrolliert werden. Sie unterschätzten Hitlers Fähigkeiten und den dynamischen Populismus des «Führers». Hitler agierte viel schneller, als Mussolini das getan hatte, wenngleich er vom faschistischen Modell profitierte. Nachdem er am 30. Januar 1933 zum Kanzler einer rechtsgerichteten Koalition ernannt worden war, löste er den Reichstag auf und rief Neuwahlen aus, bei denen die Nationalsozialisten nach einem Monat sich überstürzender politischer Ereignisse 43 Prozent der Stimmen (aber keine absolute Mehrheit) bekommen sollten. Die Partei nutzte den Brandanschlag auf den Reichstag Ende Februar (die Nazis beschuldigten zunächst die Kommunisten, dafür verantwortlich zu sein; die Linke außerhalb Deutschlands hielt das Ganze für eine Provokation der Nationalsozialisten, doch es war mit hoher Wahrscheinlichkeit das Werk eines niederländischen Anarchisten) als Vorwand, um kommunistische Abgeordnete zu verhaften und die Presse zu knebeln. Hitler wollte eine verfassungsändernde Mehrheit für ein Gesetz, das ihm weit reichende Vollmachten übertrug, und traf, nachdem er die kommunistischen Abgeordneten aus dem Reichstag entfernt hatte, eine Vereinbarung mit dem katholischen Zentrum und dem Vatikan. Als Gegenleistung für ein Konkordat mit Berlin, das die religiöse Präsenz der katholischen Kirche garantierte, enthielt sich das Zentrum bei der Abstimmung über das entscheidende «Ermächtigungsgesetz», sodass nur die Sozialdemokraten dagegen stimmten und die nötige Zweidrittelmehrheit im Reichstag gesichert war.
    Zur gleichen Zeit richtete das Regime außerhalb von München und Berlin die beiden ersten Konzentrationslager (Dachau und Oranienburg) ein, wo politische Gefangene ohne Gerichtsverfahren festgehalten wurden. Die SA organisierte einen offiziellen reichsweiten

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