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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Jungsteinzeit (Cipolla) gesprochen haben.[ 65 ] Sie ist sehr gut erforscht. Worin besteht ihr Zusammenhang mit dem Kapitalismus?
    Einerseits:
Als die Industrialisierung begann, hatte der Kapitalismus bereits eine lange Geschichte hinter sich. Der weltweit verbreitete Kaufmanns- oder Handelskapitalismus führte nicht zwingend zur Industrialisierung, auch nicht in seiner protoindustriell erweiterten Form. Das zeigen viele Beispiele. Umgekehrt belegt das Beispiel Sowjetunion, dass es auch Industrialisierung in nicht-kapitalistischer Form geben kann. Die Begriffe «Kapitalismus» und «Industrialisierung» definieren sich durch unterschiedliche Merkmale, es empfiehlt sich, scharf zwischen ihnen zu trennen.
    Andererseits
haben vorindustriell-gewerbliche Traditionen des Kapitalismus, wo immer sie bestanden, den Durchbruch der Industrialisierung, wo immer er im 19. und 20. Jahrhundert gelang, erheblich befördert. Im 19. Jahrhundert ist die Industrialisierung überall in kapitalistischen Strukturen verlaufen. ZentralverwaltungswirtschaftlicheAlternativmodelle wurden unter kommunistischen Vorzeichen zwischen 1917 und 1991 ausprobiert. Sie erwiesen sich als unterlegen.[ 66 ] Auch die rasante Industrialisierung Chinas hob erst ab, als sich die dortige Parteiführung entschloss, schrittweise politische Kontrollen zu lockern und kapitalistischen Prinzipien Raum zu geben. Offensichtlich bestand (und besteht) ausgeprägte Affinität zwischen Kapitalismus und Industrialisierung: Investitionen sind für beide von ausschlaggebender Bedeutung. Zur Industrialisierung gehören die permanente Suche nach neuen Projekten und das ständige Sicheinlassen auf neue Konstellationen; die Fingerzeige und Feedbacks der Märkte waren und sind dafür unersetzbar. Die dezentrale, auf sehr viele Unternehmen verteilte Entscheidungsstruktur erwies sich dafür als unabdingbar. Langfristig erfolgreiche Industrialisierung setzt bisher Kapitalismus voraus.
    Schließlich:
Die Industrialisierung veränderte den Kapitalismus. Sie machte (1) die Lohnarbeit auf vertraglicher Grundlage zum Massenphänomen. Damit wurde erstmals die kapitalistische Warenform – im Tausch von Arbeitskraft gegen Lohn – voll und en masse auf menschliche Arbeit angewandt. Die Arbeitsbeziehungen wurden kapitalistisch, d.h. abhängig von schwankenden Arbeitsmärkten, für kapitalistische Zwecke strikter Kalkulation unterworfen und Gegenstand direkter Aufsicht des Arbeitgebers und Managers. Der dem Kapitalismus inhärente Klassengegensatz wurde damit offenkundig, als Herrschafts- und Verteilungskonflikt erfahrbar, kritisierbar und als Basis gesellschaftlicher Konflikte wirksam.
    (2) Mit den Fabriken, Bergwerken und neuen Verkehrssystemen, der Maschinisierung und dem Ausbau der Anlagen erreichte die Akkumulation des fixen Kapitals ein Ausmaß wie nie zuvor. Neben den zahlenmäßig weiterhin dominierenden Klein- und Mittelbetrieben entstanden Großunternehmen und Unternehmenszusammenschlüsse. Damit wuchs der Bedarf an genauerer Rentabilitätskontrolle und führte im Prinzip – mit vielen Abstrichen in der Realität – zur Systematisierung der Unternehmensstruktur. Das Moment der geplanten, arbeitsteiligen undhierarchischen Organisation gewann neben und in Verbindung mit dem Prinzip des Marktes an Boden.
    (3) Technologische und organisatorische Neuerungen wurden im Industriekapitalismus ungleich wichtiger, als sie es in den vorindustriellen Spielarten des Kapitalismus gewesen waren. Die Innovationsgeschwindigkeit nahm zu. Schumpeter hat «schöpferische Zerstörung» als Kernbestand der kapitalistischen Wirtschaftsweise analysiert. Eigentlich ist sie erst mit dem Industriekapitalismus dazu geworden. Fabriken ersetzten das protoindustrielle Heimgewerbe beim Spinnen von Garn und Weben von Tuch. Dampfschiffe verdrängten das Treideln und andere traditionelle Formen des Transports auf Flüssen und Kanälen. Die Anbieter von elektrischem Licht waren bald den Gaslichtgesellschaften überlegen. Hundert Jahre später verloren die Hersteller von Schreibmaschinen ihren Markt an die Produzenten von Schreibcomputern. Mit all dem öffneten sich neue Verdienst- und Erfolgschancen für unternehmungslustige Geschäftsleute und ihre Mitarbeiter. Auch die Konsumenten profitierten in der Regel davon. Zugleich aber gab es viele Verlierer. «Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die

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