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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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erhalten und zu beschützen». Das Bürgerrecht stand gemäß Artikel 18 in der Regel nur Spaniern zu, «welche ihrem Vater und ihrer Mutter nach aus dem spanischen Gebiet beider Halbkugeln stammen und in irgendeinem Bezirk dieses Gebiets ansässig sind». Spanier, die als ganz oder teilweise afrikanischen, also arabischen Ursprungs galten, konnten, so sah es Artikel 22 vor, «durch Tugend und Verdienst» das Bürgerrecht erlangen.
    Die Verfassung von 1812 war eine Mischung aus modernen und archaischen Elementen. Die Liberalen hatten die Privilegierung der katholischen Kirche und das Verbot anderer Religionen nicht verhindern können, aber ansonsten sehr viel mehr Forderungen durchgesetzt als die Konservativen. Der Constitución de Cádiz war aber nur ein kurzes Leben beschieden: Ein Dekret König Ferdinands VII. vom 4. Mai 1814 erklärte sie und alle anderen Beschlüsse der Cortes für null und nichtig. Die verfassungstreuen Abgeordneten wurden, soweit sie nicht fliehen konnten, verhaftet und entgingen der Hinrichtung nur dank einer Intervention des Herzogs von Wellington. Es war diese Verfolgung der «liberales», die dem Begriff «liberal» in ganz Europa zum Durchbruch verhalf und ihm seine blutige politische Bedeutung gab. In Spanien selbst spaltete die Erinnerung an die Verfassung von 1812 das Land noch auf lange Zeit: Aus der Sicht der Konservativen war sie der Beginn eines gefährlichen Irrwegs; für die freiheitlichen Kräfte bis weit in die Reihen des Militärs hinein blieb sie ein Symbol des Fortschritts: des Kampfes um gewisse Rechte der Einzelnen, die Beschränkung der monarchischen Gewalt und ein verbrieftes Mitbestimmungsrecht des Volkes.[ 46 ]
    Der Krieg auf der iberischen Halbinsel zeitigte Folgen in Mitteleuropa, mit denen der Kaiser der Franzosen ebensowenig gerechnet hatte wie mit dem hartnäckigen Widerstand der Spanier: Österreich fühlte sich ermutigt, den Kampf um die Wiederherstellung seiner früheren Größe aufzunehmen. Unter dem leitenden Minister, dem Grafen Johann Philipp von Stadion, hatte die Habsburgermonarchie nach 1806 Reformen eingeleitet, die zwar weit hinter den preußischen zurückblieben, aber im militärischen Bereich doch einschneidenden Charakter hatten: Durch die neugebildeten Landeswehren fügte Österreich seinen Linientruppen ein milizartiges Element hinzu, wie es für einen Volkskrieg gegen Napoleon unentbehrlich erschien.
    Mit der Unterstützung anderer Mächte durfte Wien freilich nicht ernsthaft rechnen. Auf dem Fürstentag in Erfurt im Oktober 1808 hatten Napoleon und Zar Alexander nochmals öffentlich ihr Einvernehmen bekundet, und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen hielt den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, an dem er es wagen konnte, zu einem neuen Waffengang gegen Frankreich anzutreten. Dessen ungeachtet eröffneten die Österreicher am 9. April 1809 ohne Kriegserklärung die Kampfhandlungen mit einem Angriff auf Bayern, den wichtigsten Bündnispartner des Empire français in Deutschland. Im Mai mußte Napoleon in der Schlacht bei Aspern seine erste Niederlage überhaupt hinnehmen. Zwei Monate später aber gelang es ihm, Erzherzog Karl bei Wagram zu schlagen. Für eine Fortsetzung des Krieges reichten die Kräfte der Österreicher nicht aus. Am 14. Oktober wurde der Friede von Schönbrunn geschlossen. Österreich verlor das westliche Galizien an das Herzogtum Warschau, einen kleinen Teil Ostgaliziens an Rußland, Salzburg und das Innviertel an Bayern, Istrien samt Triest und Krain an Napoleon, der diese Gebiete in den Illyrischen Provinzen zusammenfaßte. Österreich blieb eine Großmacht, aber es war nunmehr eine solche minderen Ranges.
    Die von Wien erhoffte Volkserhebung war ausgeblieben. Nur in Tirol, das nach dem Frieden von Preßburg an Bayern gefallen war, hatten sich große Teile der Bevölkerung unter Führung des Gastwirts Andreas Hofer aus Passeier bei Meran gegen die neuen Herren aufgelehnt. Der Aufstand der katholischen Tiroler Bauern ähnelte in manchem dem Befreiungskampf der Spanier: In beiden Fällen ging es darum, die überkommene Ordnung gegen eine Fremdherrschaft zu verteidigen, die mit ungewohnten Neuerungen verbunden war. Der Aufstand der Tiroler überdauerte den Krieg, wurde aber im Herbst 1809 niedergeschlagen. Hofer, der sich nach mehreren Siegen über Bayern, Franzosen und deren Verbündete zum Regenten von Tirol hatte ausrufen lassen, geriet durch Verrat in französische Gefangenschaft und wurde am 20. Februar 1810 auf

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