Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
der gegen die Teplitzer Proklamation und die Karlsbader Beschlüsse scharf protestiert hatte, aus dem Amt des Ministers für städtische und kommunale Angelegenheiten. Aus demselben Grund mußte auch Kriegsminister Hermann von Boyen aus dem Kabinett ausscheiden.
    Anfang 1820 konnte Hardenberg den König zwar nochmals in einer Verordnung über das Staatsschuldenwesen zu der Zusage bewegen, daß die bestehende Staatsschuld nicht ohne Mitwirkung einer reichsständischen, also gesamtpreußischen Versammlung vermehrt werden würde. Aber auch dieses Verfassungsversprechen blieb folgenlos. Hardenberg starb, faktisch entmachtet, im November 1822 in Genua. Im Jahr darauf erging das Gesetz über die Anordnung von Provinzialständen, in denen Adel und Großgrundbesitz ein sicheres Übergewicht über das städtische Bürgertum hatten. Auf eine gesamtstaatliche Vertretung und eine geschriebene Verfassung mußten die Preußen weiterhin verzichten.
    Nach dem Urteil des Historikers Friedrich Meinecke bildete das Ringen um eine preußische Nationalrepräsentation zwischen 1815 und 1823 die erste Phase in dem Ringen zwischen dem «Gemeinschaftsstaat» und dem «autoritären und militaristischen Prinzip», wobei der Ausgang der Kraftprobe für das Bürgertum so negativ war wie bei der zweiten, der Revolution von 1848/49, und der dritten, dem preußischen Verfassungskonflikt von 1862 bis 1866. Seine wirtschaftliche Entwicklung und innere Vereinheitlichung hat Preußen, das seit 1815, wenn auch nicht im Sinne einer zusammenhängenden Landmasse, von Memel bis Saarbrücken reichte, durch die bürokratische Reform von oben nachhaltig gefördert: In den Jahrzehnten nach dem Wiener Kongreß rückte es zum industriell führenden Staat des Kontinents auf. Der bewußte Verzicht auf die politische Mitwirkung seiner Bürger aber ließ Preußen in anderer Hinsicht gleichzeitig rückständig erscheinen – nicht gegenüber Österreich, wohl aber im Vergleich zu den süddeutschen Staaten.
    Diese erhielten in den Jahren 1818 bis 1820 Verfassungen, die mit einer Ausnahme, der Württembergs, oktroyiert, also vom König erlassen wurden. Sie kamen mehr oder minder stark dem Vorbild der französischen Charte nahe und entsprachen dem Typ der Repräsentativverfassung. Zu konstitutionellen Monarchien wurden Bayern und Baden im Jahr 1818, nach langen heftigen Kämpfen um das «gute alte Recht» auch Württemberg mit seiner zwischen König und Landtag vereinbarten Verfassung vom 25. September 1819 und im Jahr darauf Hessen-Darmstadt. Dagegen waren die Verfassungen einiger kleinerer mitteldeutscher Staaten dem altständischen Typ zuzuordnen, darunter auch die Verfassung von Sachsen-Weimar aus dem Jahr 1816.
    Die Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820, fortan neben der Bundesakte von 1815 das wichtigste Grundgesetz des Deutschen Bundes, war ein widersprüchliches Dokument. Einerseits betonte sie den Charakter des Deutschen Bundes als «völkerrechtlicher Verein der deutschen souveränen Fürsten und Freien Städte zur Bewahrung der Unabhängigkeit ihrer im Bunde begriffenen Staaten und zur Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit Deutschlands». Andererseits erklärte sie den Deutschen Bund für unauflöslich und gestand ihm im Ausnahmefall, wenn die Sicherheit des Bundes bedroht war, das Recht der Bundesexekution gegen widersetzliche Mitglieder zu.
    Die Schlußakte legte alle Bundesstaaten auf das monarchische Prinzip fest, wonach die gesamte Staatsgewalt im Oberhaupt des Staates vereinigt bleiben mußte und durch eine landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden durfte. Soweit eine Verfassung die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Landtags gewährleistete, mußten die Regierungen sicherstellen, daß dadurch nicht die Ruhe des einzelnen Staates oder Deutschlands insgesamt gefährdet wurde. Die Bundesversammlung überwachte die Einhaltung dieser Bestimmungen, womit sie der Souveränität der Fürsten Fesseln anlegte. Im Zweifelsfall aber war es eine Machtfrage, ob es sich ein Staat leisten konnte, die Bundesgewalt herauszufordern, oder nicht. Eine Bundesexekution gegen einen der größeren Bundesstaaten war nicht vorstellbar, gegen einen kleineren durchaus.
    Einige Bestimmungen der Bundeskriegsverfassung vom 9. April 1821 schienen zwar einer Übermacht der beiden größten Bundesstaaten vorbeugen zu wollen, aber das nur auf den ersten Blick. In Artikel VIII hieß es: «Nach der

Weitere Kostenlose Bücher