Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
«españoles» europäischer und amerikanischer Herkunft und 776.000 (4 Prozent) Schwarze. Die Indios Lateinamerikas waren seßhaft und tributpflichtig; die nomadisch lebenden Ureinwohner waren nach der Eroberung durch Spanier und Portugiesen ebenso ausgerottet worden wie die Prärieindianer Nordamerikas durch die dortigen Weißen.
Hispanoamerika bestand am Vorabend der Kämpfe um die Unabhängigkeit aus vier Vizekönigreichen, nämlich Neu-Spanien (in Mexiko und dem übrigen Mittelamerika), Neu-Granada (auf dem Gebiet des heutigen Kolumbien und Ecuador), Peru und Río de la Plata. Eine weitgehende administrative Selbständigkeit genossen die vier Generalkapitanate Kuba, Guatemala, Venezuela und Chile. Die Ausgangsbedingungen der Kämpfe waren je nach der geographischen Lage, der Zusammensetzung der Bevölkerung, den wirtschaftlichen und sozialen Strukturen und den Eigenarten der jeweiligen kolonialen Verwaltung sehr unterschiedlich. In Neu-Granada und Chile stießen die neuen, revolutionären Amtsträger auf vergleichsweise geringen, in Venezuela, Peru und der La-Plata-Region dagegen auf starken Widerstand der alten Gewalten.
In Venezuela begann die Revolution als Erhebung der Plantagenbesitzer; die von ihnen gebildete Junta rief im Jahr 1811 in Caracas die Republik und die Unabhängigkeit von Spanien aus. Die Hauptstadt Caracas fiel 1812 an die Royalisten und wurde im Jahr darauf von republikanischen Truppen unter Simón Bolívar, dem Sohn eines reichen kreolischen Aristokraten, zurückerobert – wenn auch nur auf kurze Zeit. Als gefährlichster Feind der weißen kreolischen Oberschichten erwiesen sich die königstreuen «llaneros», die berittenen Viehhirten des Tieflandes, unter Führung von Tomas Boves, die einen erbitterten Guerillakrieg gegen die Herrschaft der Plantagenbesitzer führten. Bevor sie 1814 Caracas einnahmen, konnten Bolívar und seine Soldaten mitsamt einem Großteil der Zivilbevölkerung flüchten. Im Jahr darauf schickte die restaurierte Bourbonenmonarchie in Madrid Truppen nach Südamerika, die vor allem in Venezuela und Neu-Granada den Kampf gegen die in sich zerstrittenen Republikaner aufnahmen. Als das Jahr 1815 zu Ende ging, waren die Revolutionäre nur noch dort an der Macht, wo die Revolution am frühesten, durch den Militärputsch einer Junta kreolischer Offiziere im Mai 1810, begonnen hatte und der wirtschaftliche und politische Einfluß Großbritanniens am stärksten war: im Gebiet um Buenos Aires, der Hauptstadt des Vizekönigreiches Río de la Plata.
Die Restauration der alten Ordnung gelang dennoch nicht. Waren in der ersten Phase des lateinamerikanischen Unabhängigkeitskampfes die Revolutionäre uneins gewesen, so zerstritten sich in der nun beginnenden zweiten Phase auch die bislang königstreuen Kräfte. Eine der Trennlinien verlief zwischen kreolischen und spanischen Offizieren. Von den letzteren begannen viele, in den Truppen aus dem fernen Mutterland Vertreter einer fremden Herrschaft und in den Republikanern ihre Landsleute zu sehen. Die Sache der Revolution war also noch nicht verloren; ihre Anhänger erfreuten sich überdies finanzieller Zuwendungen aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika. Auf der anderen Seite hielt sich das militärische Engagement Spaniens in engen Grenzen; das lag an der Wirtschafts- und Finanzkrise im eigenen Land und am hinhaltenden Widerstand liberaler Offiziere gegen den Kolonialkrieg als solchen.
Am Beginn der zweiten Phase des Unabhängigkeitskampfes stand die Proklamation der Vereinigten Provinzen des Río de la Plata durch einen Nationalkongreß im Jahre 1816. In ihm hatten die kreolischen Eliten von Buenos Aires das Sagen. Mit ihrer Unterstützung rückte 1817 General José de San Martín, der in Spanien zum Offizier ausgebildete Sohn eines spanischen Beamten und einer Kreolin aus Buenos Aires, mit einer Revolutionsarmee in Chile vor, das am 1. Januar 1818 seine Unabhängigkeit erklärte.
Im Norden Südamerikas begann die zweite Phase des Unabhängigkeitskampfes Ende 1816 mit der Invasion einer Freiwilligentruppe unter Führung Simón Bolívars an der Küste Venezuelas. Bolívar hatte sich nach dem Fall von Caracas 1814 über Neu-Granada und Jamaika nach Haiti, dem Ort der großen Sklavenrevolution von 1791, begeben. Dort hatte ihm Präsident Alexandre Pétion Waffenhilfe unter der Bedingung versprochen, daß Bolívar in allen von ihm eroberten Gebieten die Sklaverei abschaffte. In Venezuela gelandet, verfügte «El
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