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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Libertador», wie man Bolívar mittlerweile nannte, die Freilassung der schwarzen Familien, die Soldaten in seinem Heer stellten. Die republikanischen Kräfte erlitten immer wieder schwere Rückschläge; Bolívar mußte sich zeitweilig nach Guayana absetzen. Um den spanischen Truppen eine schlagkräftige Streitmacht entgegenstellen zu können, warb der Befreier, der sich um die Jahrhundertwende und erneut von 1804 bis 1807 längere Zeit in Europa aufgehalten hatte, über Agenten Freiwillige auf dem alten Kontinent an. Er fand sie vor allem unter Engländern, Iren und Deutschen.
    Im Februar 1819 ließ sich Bolívar in Angostura, dem späteren Ciudad Bolívar, zum Präsidenten mit diktatorischen Vollmachten wählen. Ein halbes Jahr später schlug er die Spanier bei Boyacá und vereinigte kurz darauf unter seiner Präsidentschaft Neu-Granada mit Venezuela zur Zentralrepublik Groß-Kolumbien. Es folgte der Einmarsch in Peru, dessen Hauptstadt Lima bereits von José de San Martín, dem anderen großen Helden des lateinamerikanischen Unabhängigkeitskampfes, befreit worden war. 1821 erklärte Peru seine Unabhängigkeit, 1825 auch Hochperu, das zum Vizekönigreich Río de la Plata gehörte und sich nun zu Ehren des Befreiers Bolivien nannte. In jener Zeit bildete noch der Pazifik die Westgrenze Boliviens. Im «Salpeterkrieg», den Chile von 1879 bis 1884 gegen Bolivien und Peru führte, verlor Bolivien die Küstenprovinz Atacama an das siegreiche Chile.
    Das Nachbarland Paraguay, das ebenfalls einen Teil des Vizekönigreiches Río de la Plata bildete, hatte sich schon sehr viel früher, nämlich 1811, unabhängig erklärt. Unter seinem Präsidenten José de Francia, der von 1814 bis 1840 als Diktator regierte, schottete sich das Land nahezu vollständig von der Außenwelt ab: ein Sonderfall unter den Staaten Lateinamerikas, entfernt vergleichbar der Ausnahmestellung, die Paraguay schon einmal, vom frühen 17. Jahrhundert bis 1767/68, als «Jesuitenstaat» eingenommen hatte. Infolge eines fünfjährigen, blutigen Krieges mit Brasilien, Argentinien und Uruguay in den Jahren 1865 bis 1870 verlor Paraguay große Teile seines Territoriums und fünf Sechstel seiner Bevölkerung.
    In Mittelamerika, wo es schon 1810 eine von dem Pater Miguel Hidalgo y Castillo geführte, von Indios und Mestizen unterstützte, aber rasch niedergeschlagene Erhebung gegen die Kolonialmacht gegeben hatte, nutzten die republikanischen Kräfte die erfolgreiche spanische Militärrevolte von Cádiz im Januar 1820, um noch im gleichen Jahr die Unabhängigkeit Mexikos zu proklamieren. Der Führer der Erhebung, General Agustín Itúrbide, ließ sich 1822 als «Kaiser Agustín I.» die Macht im Staat übertragen, wurde aber bereits im Jahr darauf von republikanischen Kräften im Militär gestürzt. Die Republik Mexiko behauptete sich im Kampf gegen spanische Truppen, die Ferdinand VII. nach Wiederherstellung seiner absoluten Herrschaft 1823 nach Mittelamerika geschickt hatte. Die Gebiete, die zuvor zum Generalkapitanat Guatemala gehört hatten, erklärten sich nach dem Sturz Itúrbides für unabhängig und vereinigten sich zu einer Zentralamerikanischen Konföderation, die sich 1838 wieder auflöste und in die fünf selbständigen Staaten Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica zerfiel.
    Im eigentlichen Mexiko gingen die inneren Parteikämpfe auch unter der neuen republikanischen Staatsform weiter. Die konservativeren Kräfte in der Verfassunggebenden Versammlung hatten ihren festen Kern in der «Schottischen» Freimaurerloge, die unter dem Schutz des britischen Gesandten stand, und dem Ableger einer New Yorker Loge, die die Protektion des amerikanischen Konsuls genoß. Eine gewisse Stabilisierung trat erst nach 1833 unter der Präsidentschaft von Antonio Lopez de Santa Anna ein – jenem General, der zehn Jahre zuvor den Sturz des kurzlebigen Kaiserreichs durch ein Pronunciamiento herbeigeführt hatte.
    Vergleichsweise harmonisch verlief die Verselbständigung Brasiliens. In keinem anderen Land Lateinamerikas, abgesehen von der Karibik, war der Anteil der Schwarzen an der Bevölkerung so hoch wie hier: Er belief sich 1817, Freie und Sklaven zusammengerechnet, auf knapp zwei Drittel; die Sklaven allein machten etwa die Hälfte der Bevölkerung aus. Das Mutterland, Portugal, war in den letzten Jahren vor der Unabhängigkeit durch die Person des Königs in seiner südamerikanischen Kolonie präsent: Unter aktiver Beteiligung der Briten hatte

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