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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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von Buenos Aires, des konservativen Föderalisten Juan Manuel de Rosas, der sich bis 1852 an der Macht behaupten konnte. In Uruguay begann 1838 ein langjähriger Bürgerkrieg zwischen den «Blancos», der Partei der berittenen Viehhirten, der Großgrundbesitzer, und den «Colorados», der Partei der Gauchos. Nach 1842 wurde Peru durch einen Bürgerkrieg zerrissen, der 1845 in die Diktatur mündete. Ecuador wurde nach 1830 fast zwei Jahrzehnte lang durch eine Militärdiktatur regiert. Der «caudillismo», die Herrschaft politisierender Generäle, bestimmte auch in Bolivien die Politik. In keiner der befreiten Republiken Lateinamerikas entwickelte sich ein politisches System, das einer repräsentativen Demokratie nahekam.
    Die Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika verfügten über ein hohes Maß an gemeinsamen Vorstellungen von der politischen Ordnung, die sie nach Erkämpfung der Unabhängigkeit errichten wollten: Es sollte, entsprechend der freiheitlichen Tradition Englands, ein System der Gewaltenteilung, des Rechts und der Selbstbestimmung sein. Unter denen, die die Befreiung Lateinamerikas von der absolutistischen Kolonialherrschaft Spaniens und Portugals durchgesetzt hatten, gab es keinen vergleichbaren Konsens: Die Besitzer von Plantagen und Hazienden verfolgten andere Ziele als jene, die sich zu Sprechern der weißen Unterschicht, der Indios oder Mestizen, der aus Afrika stammenden Sklaven oder der Mulatten machten. Ein friedlicher Ausgleich zwischen den streitenden Parteien war seltener als der bewaffnete Kampf zwischen ihren militärischen oder paramilitärischen Verbündeten. Im politischen Konsens der Nordamerikaner spiegelte sich die relative Homogenität einer überwiegend weißen, europäisch geprägten Gesellschaft. Der politische Dissens in den jungen Staaten Lateinamerikas war ein Ausdruck der ethnischen und sozialen Zerrissenheit kolonialer Gesellschaften, von denen die meisten nur durch ein hohes Maß an staatlichem Zwang notdürftig zusammengehalten werden konnten.
    Fast überall in Lateinamerika blieben die kreolischen Großgrundbesitzer auch nach den Kämpfen um die Unabhängigkeit die einflußreichste Gruppe der Gesellschaft. Das galt auch für jene Staaten, in denen es neben dem kreolischen Großgrundbesitz weiterhin eine selbständige, oft auf Gemeinbesitz beruhende Landwirtschaft der Indios gab. Die Großgrundbesitzer kontrollierten die Milizverbände, die die bestehende gesellschaftliche Ordnung stützten. Nach der Absetzung der Repräsentanten der Kolonialmacht hatten sie eher noch mehr politisches Gewicht als zuvor. Sie mußten sich aber damit abfinden, daß auch andere, überwiegend städtische Eliten wie die Bergwerksbesitzer einen angemessenen Anteil an der Macht forderten.
    Das Militär hatte in Hispanoamerika vor allem eine innenpolitische Aufgabe: die Verhinderung eines Aufstands der breiten, nichtprivilegierten indianischen Unterschicht. Die katholische Kirche war, anders als viele Angehörige des niederen Klerus, in dieser Hinsicht meist eine verläßliche Stütze der konservativen Führungsgruppen. Was Lateinamerika weithin fehlte, war eine breite selbstbewußte Mittelschicht, die sich als Träger des Gemeinwesens empfand und dieses zu gestalten strebte. Lateinamerika gehörte zur westlichen Hemisphäre, aber das, was man die politische Kultur des Westens nennt, blieb den meisten ehemaligen Kolonien Spaniens und Portugals eine ferne und fremde Welt.
    Gemeinsam war dem Norden und dem Süden des amerikanischen Kontinents das koloniale Erbe der Sklaverei. In den meisten hispano-amerikanischen Republiken wurde sie bis Mitte des 19. Jahrhunderts abgeschafft, in Peru 1854, in Argentinien 1860, in Paraguay 1870. Die spanischen Kolonien Puerto Rico und Kuba taten diesen Schritt unter massivem britischem und nordamerikanischem Druck erst 1873 beziehungsweise 1880, das Kaiserreich Brasilien im Jahre 1888. In den Vereinigten Staaten bedurfte es eines blutigen Bürgerkrieges, bis 1865 das Verbot der Sklaverei in der ganzen Union durchgesetzt werden konnte. Die Befreiung der Sklaven bedeutete noch nicht, daß sie und ihre Nachkommen den Weißen nunmehr gesellschaftlich gleichgestellt waren. Die Wirkungen von vielen Jahrhunderten radikaler Entrechtung von Menschen prägen die Gesellschaften, die von Sklavenarbeit lebten, bis heute.[ 65 ]
    Großmacht USA: Von Monroe bis Jackson
    Zur Befreiung Lateinamerikas von europäischer Kolonialherrschaft wäre es im Jahrhundert nach 1815

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