Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
des Verwaltungsrates, und der Historiker Joachim Lelewel, der Repräsentant der Linken. Sie bewirkten am 25. Januar 1831 einen Beschluß des Sejm, der die Dynastie der Romanows für abgesetzt erklärte, also der Oberhoheit des Zaren ein Ende setzte. Im anschließenden Krieg zwischen Rußland und Polen wechselten sich Siege und Niederlagen beider Seiten ab. Ende Mai 1831 wurden die Aufständischen bei Ostroleka von den Truppen des Zaren geschlagen. Die endgültige Entscheidung brachte aber erst eine Schlacht in der Nähe von Warschau am 6. und 7. September 1831, in der die zahlenmäßig weit überlegenen Russen obsiegten. Die unmittelbare Folge war die Kapitulation der polnischen Hauptstadt.
    Ein großer Teil des polnischen Heeres konnte sich ebenso wie die meisten Mitglieder der Revolutionsregierungen und des Sejm den nun hereinbrechenden Vergeltungsaktionen der Großmacht Rußland durch Flucht in das preußische oder österreichische Teilungsgebiet und von dort über Deutschland nach Westeuropa entziehen. Von den im Königreich Polen verbliebenen Führern des Aufstands wurden viele zum Tode verurteilt, dann aber zu Zwangsarbeit begnadigt. Die einfachen Soldaten kamen in den Genuß einer Amnestie, mußten jedoch fortan in anderen Teilen des Zarenreiches Dienst tun. Die Güter der Emigranten wurden konfisziert und teilweise russischen Offizieren übereignet. Kongreßpolen büßte seine relative Selbständigkeit weitgehend ein. Sejm und Heer wurden aufgelöst, die Universität Warschau geschlossen. Für das polnische Schulwesen war seit 1839 nicht mehr der Verwaltungsrat in Warschau, sondern die russische Regierung in St. Petersburg zuständig.
    Im preußischen und im österreichischen Teilungsgebiet gab es zwar manche Bekundungen von Sympathie für den Aufstand, aber keine aktive Unterstützung. Anders verhielt es sich mit dem 1815 errichteten Freistaat Krakau, der unter der Aufsicht der drei Teilungsmächte stand. Hier fanden im Winter 1830/31 polnische Truppen Zuflucht, was im Jahr darauf zu einer mehrwöchigen Besetzung Krakaus führte. Die Abgeordnetenkammer, die sich zum Sprachrohr der nationalen Solidarität gemacht hatte, mußte 1833 eine starke Beschränkung ihrer Rechte hinnehmen. Seit 1841 wurde sie nicht mehr einberufen.
    Zur Stimme Polens in der Welt wurde nach 1831 die «Grande émigration». Auf bis zu 9000 wurde die Zahl der Polen geschätzt, die ihre Heimat nach dem Aufstand verließen und sich zuerst nach Frankreich begaben, wo sich die Regierung unter dem Druck der öffentlichen Meinung genötigt sah, Tausenden von Emigranten die Reisekosten zu bezahlen. Die bekanntesten unter den Flüchtlingen waren der Komponist Frédéric Chopin, der Dichter Adam Mickiewicz, von dem das vielzitierte Wort von Polen als dem «Christus der Völker» stammt, und die beiden Führer des Aufstandes, Adam Jerzy Czartoryski und Joachim Lelewel, von denen der erste für den konservativen, der zweite für den demokratischen Flügel der Emigration sprach.
    Schon auf dem Weg durch Deutschland bekamen die geschlagenen Rebellen zu spüren, wie populär ihr heldenhafter, wenn auch vergeblicher Kampf bei den Freunden der Freiheit war. Das polnische Motto «Für eure und unsere Freiheit» wurde bejubelt, und zu Recht hielt man den Aufständischen zugute, daß sie mit ihrer Erhebung russischen Plänen für eine Intervention in Belgien den Boden entzogen hatten. Die «Polenbegeisterung» der dreißiger Jahre löste in Europa wie in Nordamerika in gewisser Weise den Philhellenismus der zwanziger Jahre ab. In Deutschland lagen die Hochburgen der «Polenvereine» nicht zufällig dort, wo auch die Griechenfreunde sich am besten hatten entfalten können: im Südwesten. Die Regierungen in Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt duldeten die Geldsammlungen für kranke und verwundete Polen wie für polnische Flüchtlinge, die sich auf dem Weg nach Frankreich befanden. Für diese Tolerierung sprachen nicht nur humanitäre, sondern auch fiskalische Erwägungen: Soweit es um die Flüchtlinge ging, entlasteten die freiwilligen Spenden die Staatskasse. In Österreich, Preußen und Hannover hingegen wurden die Polenvereine wegen ihrer liberalen und demokratischen Neigungen unterdrückt. Auf österreichisches und preußisches Betreiben hin erfolgte im Sommer 1832 die Auflösung der Polenvereine im ganzen Bundesgebiet. Die Sympathie für das geteilte Nachbarland aber ließ sich nicht unterdrücken. Sie wurde in den dreißiger und vierziger Jahren zu

Weitere Kostenlose Bücher