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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Kontinents, Wallonien, während in den nördlichen Provinzen die Industrialisierung sehr viel später einsetzte. Der Norden war überwiegend evangelisch, das hieß reformiert, der Süden einschließlich Flandern katholisch. Die katholischen Bischöfe, gleichgültig ob Flamen oder französischsprachige Wallonen, verhielten sich dem protestantischen König und seinen Ministern gegenüber loyal. Im Bürgertum und bei den Intellektuellen aber gab es eine breite Strömung, die unter dem Einfluß von Lamenais auf eine Annäherung von Katholizismus und Liberalismus hinarbeitete. Auf der anderen Seite stellten die Liberalen ihren Antiklerikalismus bewußt zurück, um eine gemeinsame belgische Front gegen den zunehmend autoritären Kurs des Königs aufzubauen. Deshalb wurde auch die Sprachenfrage nicht in den Vordergrund gerückt, obwohl die Benachteiligung des Französischen viel zur Entfremdung zwischen den Wallonen und der Regierung in Den Haag beigetragen hatte.
    Die Pariser Ereignisse vom Juli 1830 wirkten als Fanal: Die Opposition gegen Wilhelm I. schlug in eine Revolution für die Unabhängigkeit Belgiens um. Die ersten gewaltsamen Unruhen fanden Ende August in Brüssel statt; im September folgten schwere Straßenkämpfe, bei denen französische Offiziere die Führung der Aufständischen Übernahmen. Am 5. Oktober konstituierte sich eine Provisorische Regierung; am 18. November beschloß ein Nationalkongreß die Unabhängigkeit Belgiens; im Monat darauf wurde dank einer Intervention Frankreichs Antwerpen den Niederländern entrissen.
    Eine Konferenz der fünf Großmächte Großbritannien, Rußland, Österreich, Preußen und Frankreich, der Signatarmächte der Wiener Verträge von 1815, in London setzte Ende Dezember einen Waffenstillstand durch. Am 20. Januar 1831 wurde die belgische Unabhängigkeit unter der Bedingung ewiger Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz grundsätzlich anerkannt. Einverständnis gab es auch, daß Belgien eine konstitutionelle Monarchie sein sollte. Eine entsprechende Verfassung, von der sogleich noch zu reden sein wird, verabschiedete der Nationalkongreß am 7. Februar 1831. Am 4. Juni 1831 wurde in Absprache mit den Großmächten Prinz Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha, der verwitwete Gatte der verstorbenen britischen Thronfolgerin, vom Nationalkongreß zum König von Belgien gewählt. Er leistete unmittelbar danach seinen Eid auf die Verfassung.
    Die belgische Revolution versetzte dem Werk des Wiener Kongresses einen ersten schweren Schlag. Die Beseitigung des Königreichs der Vereinigten Niederlande gelang nur, weil die beiden liberalen Westmächte in dieser Frage einig und die drei konservativen Ostmächte uneinig waren. Frankreich wünschte keinen starken Nachbarn im Norden, empfand starke Sympathien für die französischsprechenden Wallonen und hatte darum die Separation Belgiens von Anfang an unterstützt; England unter dem neuen Premierminister Lord Grey, einem Whig, sah seine Interessen auf der anderen Seite des Ärmelkanals in einem neutralen, ihm wohlgesonnenen neuen Königreich am besten gewahrt und wollte deshalb verhindern, daß dieses sich allzu eng an Frankreich anlehnte. Der stärkste Verteidiger der Belange Wilhelms I. und damit des Status quo war Zar Nikolaus I., der offen von Intervention sprach. Aber für eine politische oder gar militärische Konfrontation mit Frankreich und England hätte Rußland Verbündete gebraucht, und die fehlten ihm. Preußen dachte zu keiner Zeit daran, sich Hollands wegen in einen Krieg zu stürzen. Der österreichische Staatskanzler Metternich war zwar wegen des Zerfalls des Wiener Systems aufs höchste besorgt, zog aber eine bewaffnete Intervention schon deswegen nicht in Erwägung, weil diese angesichts der ablehnenden Haltung Preußens das Ende der Heiligen Allianz bedeutet hätte.
    König Wilhelm wollte sich mit dem Verlust Belgiens lange nicht abfinden und versuchte sich im Sommer 1831 sogar an einer Rückeroberung, die jedoch am erneuten Einsatz französischer Truppen scheiterte. Im November 1831 vereinbarten die fünf Großmächte die «24 Artikel», die die Existenzbedingungen des Königreichs Belgien endgültig festlegen sollten. Luxemburg sollte geteilt werden, wobei der französischsprachige Teil an Belgien fiel und der nichtwallonische Teil als (weiterhin mit den Niederlanden in Personalunion verbundenes) Großherzogtum beim Deutschen Bund verblieb. Auch für Limburg war eine Teilung vorgesehen: Ein Teil sollte Belgien

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