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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Jahrhunderte hinweg geschah.
    Die britischen Kolonien, aus denen später die Vereinigten Staaten von Amerika hervorgingen, umfaßten Gebiete mit höchst unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen. In Neu-England entwickelten sich Handel, Gewerbe und Landwirtschaft auf eine Weise, die den Siedlern aus Europa und besonders denen aus Großbritannien vertraut war. In New York, New Jersey, Pennsylvania und Delaware war es ähnlich. Schiffsbedarf, Nutzholz und Nahrungsmittel waren die wichtigsten Güter, die in Großbritannien und seinen westindischen Besitzungen Absatz fanden und den Wohlstand der Kolonien mehrten.
    Die südlichen Kolonien Virginia, Maryland, Nord und Süd Carolina, zu denen 1754 noch die Kronkolonie Georgia kam, waren dagegen rein ländlich geprägt. Die bedeutendsten Wirtschaftszweige waren der Anbau von Tabak in Virginia und Maryland, von Reis und seit 1750 zunehmend auch Indigo in South Carolina und den anderen südlichen Kolonien. Die hier beschäftigten Arbeitskräfte waren seit dem späten 17. Jahrhundert nahezu ausschließlich schwarze Sklaven aus Afrika. Für den Nachschub sorgte das Mutterland: Bei den Friedensverhandlungen von Utrecht, die 1713 den Spanischen Erbfolgekrieg beendeten, hatte sich Großbritannien durch den Asiento-Vertrag mit Spanien das Monopol gesichert, die spanischen Kolonien in Amerika mit Sklaven aus Afrika zu beliefern. Die Plantagenbesitzer in den westindischen und nordamerikanischen Kolonien gehörten zu den Nutznießern dieser gewinnträchtigen Ausrichtung des britischen Außenhandels. Die Proteste der Quäker vermochten dagegen nichts auszurichten.
    Eine bürgerliche Gesellschaft in den nördlichen, eine Sklavenhaltergesellschaft in den südlichen Kolonien: dieser Gegensatz mußte jeden Versuch erschweren, gegenüber Parlament und Regierung im fernen London gemeinsame Interessen geltend zu machen. Sehr viel weniger trennend wirkten gewisse «feudale» Relikte wie der Fideikommiß, die Unteilbarkeit von Gütern, die folglich nur an den ältesten Sohn des Besitzers vererbt werden konnten, oder eine von fern an die Schollenpflichtigkeit erinnernde, enge Bindung kleiner Pächter an den Großgrundbesitzer. Was es an solchen «Importen» aus Alteuropa in der Frühzeit der britischen Kolonien in Nordamerika mancherorts, vor allem in den südlichen Kolonien und New York, gab, stand unter einem massiven Legitimations- und Anpassungsdruck, der von den besonders egalitär gesinnten Puritanern Neu-Englands ausging. Die nach Westen hin immer geringere Siedlungsdichte erlaubte zudem ein hohes Maß an geographischer und sozialer Mobilität, das in Europa keine Entsprechung fand.
    Feudale Strukturen konnten sich unter solchen Bedingungen nicht behaupten und eine auf Privilegien gegründete, ständisch gegliederte Gesellschaft nicht herausbilden. Eine ungleiche Verteilung von Eigentum und Vermögen bestand in den britischen Kolonien Nordamerikas von Anfang an, und sie nahm im Lauf der Zeit zu. Aber nirgendwo war sozialer Aufstieg leichter als hier, und diese Erfahrung prägte das allgemeine Bewußtsein. Die persönlichen Verhältnisse galten als verbesserbar, und eben darum waren Neid und Haß auf die, denen es besser ging, eher die Ausnahme als die Regel.[ 193 ]
    Daß das Streben nach Glück ein Recht jedes Einzelnen und ein Unterpfand seines Erfolges war, gehörte zu den gemeinsamen Grundüberzeugungen der frühen Kolonisten. Vor allem die Puritaner unter ihnen wurden nicht müde, Amerika als das gelobte Land zu preisen, das Gott selbst ihnen zugewiesen hatte, damit sie es sich untertan machten. So wie Gott einst sein erstes auserwähltes Volk, die Juden, aus der Knechtschaft in Ägypten nach Kanaan, das Land der Verheißung, geführt hatte, so hatte er jetzt sein neues auserwähltes Volk, die Puritaner, aus Europa nach Amerika geführt. Europa mit seinen Bedrängnissen lag hinter ihnen, die Herausforderung Amerika vor ihnen: Das war das Ergebnis des neuen Bundes, des «covenant», den Gott mit den puritanischen Siedlern Neu-Englands geschlossen hatte, auf daß sie einen festen Grund hatten für den irdischen «covenant», den Gesellschaftsvertrag, den sie bei der Gründung ihrer Kolonie untereinander schlossen. Der am 11. November 1620 auf der «Mayflower» geschlossene Vertrag war der erste dieser «covenants».
    Ihren klassischen Ausdruck fand die heilsgeschichtliche Überhöhung des eigenen Neubeginns in einer Predigt, die John Winthrop, der erste

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