Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
der Massachusetts Bay gründeten, waren nicht die ersten britischen Siedler in Nordamerika. Schon dreizehn Jahre vorher war in Jamestown die erste dauerhafte britische Kolonie auf dem nordamerikanischen Festland, Virginia, entstanden. Dort hatten ursprünglich auch die Pilgerväter an Land gehen wollen, die das amerikanische Festland dann an einer sehr viel weiter nördlich gelegenen Stelle erreichten. Mit der Fahrt der «Mayflower» aber begann etwas Neues: die Einwanderung von Menschen, die der Zumutungen und Zwänge des anglikanischen Staatskirchentums überdrüssig waren und in «Neu-England» ein Leben nach ihren Vorstellungen von Gottgefälligkeit führen wollten.
Die britische Besiedlung Nordamerikas trug von Anfang an einen ganz anderen Charakter als die spanische und portugiesische Besiedlung Mittel- und Südamerikas. Die Konquistadoren, die Lateinamerika für ihre Länder in Besitz nahmen, entstammten meist dem verarmten Landadel: Sie handelten im Staatsauftrag und in engem Zusammenwirken mit der katholischen Kirche, die sich der Missionierung und Erziehung der unterworfenen Indios widmete. Finanziert wurden die Expeditionen durch reiche europäische Kaufleute und Bankiers, darunter die deutschen Fugger und Welser. Städte wurden zunächst als Handelsstützpunkte in Küstennähe, wenig später dann auch im Landesinnern, als Rückhalt für weitere militärische Eroberungen und die dauerhafte Durchdringung der Kolonien, gegründet. Der wirtschaftliche Nutzen, den diese abwarfen, bestand aus rücksichtslos ausgebeuteten Gold- und Silbervorkommen sowie aus Land, auf dem, je nach den klimatischen Verhältnissen, vor allem Zuckerrohr oder Weizen angebaut wurde. Die Arbeit in Bergwerken und Plantagen mußten zuerst versklavte indianische Ureinwohner und dann in wachsender Zahl schwarze Sklaven aus Afrika verrichten. Nur auf dem Gebiet der späteren Republiken Argentinien und Uruguay vollzog sich eine konsequente «Europäisierung» in dem Sinn, daß Einwanderer aus Europa die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung stellten. Im übrigen spanischen Lateinamerika blieben die Weißen gegenüber Indios und Mestizen in der Minderheit. Den größten Anteil von schwarzafrikanischen Sklaven und deren Nachkommen gab es, sieht man von der Karibik ab, in dem von Portugiesen eroberten Brasilien.
Anders als die spanischen Könige taten die englischen von sich aus wenig, um die Auswanderung über den Atlantik hinweg zu fördern. Die britischen Siedler, die sich in Nordamerika niederließen, kamen, weil sie selbst sich dazu entschlossen hatten. Die Anwerbung von Siedlern Übernahmen Handelsgesellschaften, deren Rechte jeweils in einer königlichen Charter niedergelegt waren. Eine von ihnen war die 1629 gegründete Company for Massachusetts Bay, deren wichtigstes Privileg in dem Recht bestand, für ihren Wirkungsbereich eine Regierung zu bilden. Im gleichen Jahr gelang es einer Gruppe wohlhabender englischer Puritaner, die Gesellschaft mitsamt ihrem Landbesitz und ihrer Charter zu übernehmen. Die Gründungsmitglieder wählten den Juristen John Winthrop zum ersten Gouverneur der Company und verlegten ihren Sitz von England nach Amerika. Ihre erste Siedlung auf amerikanischem Boden war Salem. 1630, im Jahr darauf, folgte die Gründung von Boston und anderen Städten in Massachusetts, die die aus England nachströmenden Glaubensgenossen aufnehmen sollten.
Die Pilgerväter waren radikale Kongregationalisten oder Separatisten, die sich von der Church of England getrennt und die Jahre von 1608 bis 1620 im Exil im holländischen Leyden verbracht hatten. Winthrop und die von ihm geführten Siedler waren Puritaner, die bis dahin in England für die Reform der anglikanischen Kirche gekämpft hatten. Außer reformierten Protestanten verließen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch viele Katholiken aus religiösen Gründen England. Soweit sie sich nach Amerika begaben, siedelten sie sich vorzugsweise im 1634 gegründeten Maryland an. Für dieses Gebiet, das bis dahin zu Virginia gehört hatte, konnte Sir Cecil Calvert, der zweite Lord Baltimore, im Maryland Toleration Act von 1649, einem von der Volksvertretung der Kolonie verabschiedeten Gesetz, einen Zustand der Religionsfreiheit durchsetzen, von dem die meisten englischen Kolonien Nordamerikas zu dieser Zeit noch weit entfernt waren. In Virginia, seit der Auflösung der erfolglosen London (Virginia) Company im Jahre 1625 eine königliche Kolonie, ließen sich in der Zeit
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