Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
entschieden hatte, die Kroaten in ihrem Kampf gegen die ungarische Revolution zu unterstützen. Die Wiener Radikalen und die in der Hauptstadt stationierten Truppen antworteten darauf mit einem neuen Aufstand: dem dritten nach den beiden Erhebungen von März und Mai 1848. Die Kämpfe begannen mit einer Bluttat: Am 6. Oktober wurde der besonders verhaßte Kriegsminister, Graf Latour, von den Aufständischen ergriffen, mißhandelt und schließlich an einer Laterne erhängt. Die meisten anderen Minister mit dem Ministerpräsidenten von Wessenberg an der Spitze konnten sich ihrer Festnahme im letzten Augenblick durch die Flucht entziehen.
Kaiser Ferdinand begab sich, nachdem die Hauptstadt in die Hände der Radikalen gefallen war, mit seinem Hof ins böhmische Olmütz. Von Böhmen aus bereitete seit dem 11. Oktober Fürst Alfred Windischgrätz, politisch beraten von seinem Schwager Fürst Felix Schwarzenberg, den Kampf gegen das revolutionäre Wien vor. Die deutsche Zentralgewalt versuchte zwar, zwischen Revolution und Gegenrevolution zu vermitteln. Ihre Abgesandten wurden aber von Windischgrätz wie von Wessenberg abgewiesen. Um dieselbe Zeit reisten Vertreter der Linken in der Paulskirche, unter ihnen Robert Blum, nach Wien, um die Aufständischen zu unterstützen. Sie taten es aus eigenem Antrieb: Die Mehrheit der Nationalversammlung hatte es zuvor abgelehnt, sich mit der Revolution in Wien solidarisch zu erklären. Am 26. Oktober begann der Angriff der Regierungstruppen, geführt von Windischgrätz, nunmehr Oberkommandierender aller österreichischen Streitkräfte, soweit sie nicht in Italien unter dem Oberbefehl Radetzkys standen, und von dem kroatischen Statthalter Jellacic, auf die Hauptstadt des Kaiserreichs. Am 31. Oktober war der Wiener Aufstand niedergeschlagen. Blum, der an den Barrikadenkämpfen teilgenommen hatte, wurde in einem Schnellprozeß zum Tode verurteilt und am 9. November standrechtlich erschossen.
Die Hinrichtung Blums war eine eklatante Verletzung der parlamentarischen Immunität, die er als Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung genoß. Die Paulskirche protestierte zwar am 16. November in aller Form gegen diesen Rechtsbruch. Der Beschluß, den der Reichsverweser Erzherzog Johann durch zwei Reichskommissare nach Olmütz übermitteln ließ, blieb aber, da Nationalversammlung und Zentralgewalt über keine eigenen Machtmittel verfügten, folgenlos. Die österreichische Regierung, an deren Spitze am 21. November Schwarzenberg trat, wollte ihrerseits den Bruch mit Frankfurt. Ihr Ziel war kein geringeres als die Rückkehr zur vorrevolutionären Ordnung im Habsburgerreich und im außerösterreichischen Deutschland. Der Unterstützung der meisten slawischen Nationalitäten, namentlich der Tschechen, Kroaten und Slowenen, konnte sie dabei sicher sein. Im österreichischen Reichstag, der auf Grund eines kaiserlichen Manifestes vom 22. Oktober seit dem 22. November im mährischen Kremsier tagte, gaben Abgeordnete aus diesen Nationen den Ton an.
Für die deutsche Linke war das Verhalten der Tschechen, Kroaten und Slowenen Verrat an der Revolution. Niemand verlieh der verbreiteten Empörung so leidenschaftlichen Ausdruck wie Friedrich Engels. In der «Neuen Rheinischen Zeitung» sprach er im Januar 1849 im Hinblick auf die Südslawen von «Natiönchen», von «Völkerruinen» und «Völkerabfällen», die die Konterrevolution verträten, und drohte: «Der nächste Weltkrieg wird nicht nur reaktionäre Klassen und Dynastien, er wird auch ganze reaktionäre Völker vom Erdboden verschwinden machen. Und das ist auch ein Fortschritt.» Im Monat darauf sagte Engels dem «revolutionsverräterischen Slawentum» (ein Verdikt, von dem nur die Polen und gelegentlich auch die Serben ausgenommen wurden) einen «Vernichtungskampf und rücksichtslosen Terrorismus – nicht im Interesse Deutschlands, sondern im Interesse der Revolution» an.
Von «Weltkrieg» hatte vor Engels bereits Marx gesprochen. In seinem Neujahrsartikel für die «Neue Rheinische Zeitung» gelangte er zu dem Schluß, die Revolution werde nur siegen, wenn sie die Gestalt eines europäischen, ja eines Weltkrieges annehme – eines Krieges, der mit dem Sturz der französischen Bourgeoisie beginnen, dann England und durch England schließlich die ganze Welt ergreifen müsse. « Revolutionäre Erhebung der französischen Arbeiterklasse , Weltkrieg – das ist die Inhaltsanzeige des Jahres 1849.»
Als Marx seinen Aufruf veröffentlichte, hatte
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