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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Regierung im allgemeinen unleugbar friedlich verhalten. Wie lange es dauern wird, ehe beide, die Arbeiterklasse und die der Kapitalisten, wieder genug Kraft und Selbstvertrauen haben, um auf den Plan zu treten und – jede für sich – offen Anspruch auf die Diktatur über Frankreich zu erheben, das kann natürlich niemand sagen.»
    Louis-Napoleon war der Mann, den es aus der Sicht von Marx und Engels theoretisch gar nicht hätte geben dürfen. Seine Herrschaft setzte Grundannahmen des «Kommunistischen Manifests» auf unabsehbare Zeit außer Kraft: Der Staat war nicht ein Instrument in den Händen der herrschenden Klasse, sondern eine eigenständige Macht; der Klassenkampf konnte nur noch in gesetzlich beschränkter, friedlicher und nicht mehr in gewaltsamer Form stattfinden; wann es zur erhofften Revolution des Proletariats kommen würde, war ungewisser denn je. Die Demokratie hatte nicht der Arbeiterklasse, sondern erst der Bourgeoisie und dann einem Usurpator zum Sieg verholfen, der, gestützt auf die Armee und nachträglich legitimiert durch einen erfolgreichen Appell an das Volk, das parlamentarische System wieder abschaffte. Das war die Entwicklung, die Frankreich zwischen 1848 und 1851 genommen hatte. Ob das französische Beispiel Schule machen und eine «bonapartistische» Herrschaftsweise sich in Europa verbreiten würde, das war zu Beginn des Jahres 1852 noch eine offene Frage.
    Vorhersehbar war um diese Zeit hingegen die Entwicklung des Prince-Président zum Empereur. Louis-Napoleon verlegte seinen Amtssitz vom Elyseepalast in die Tuilerien und ließ sich als «Son Altesse Impériale», als Kaiserliche Hoheit, anreden. Briefmarken und Münzen erschienen mit seinem Bild; von den öffentlichen Gebäuden verschwand die Inschrift «Liberté, égalité, Fraternité». Am 15. August 1852 wurde in Paris der Geburtstag Napoleons, der an diesem Tag 83 Jahre alt geworden wäre, mit großem Pomp begangen und der Code Civil wieder in «Code Napoléon» umbenannt. Auf Reisen durch die Provinz und in Paris wurde der Präsident immer häufiger mit dem Ruf «Vive l’Empereur» empfangen.
    Im Spätherbst 1852 erschien Louis-Napoleon, der lange mit dem letzten Schritt gezögert hatte, die Zeit reif für die Proklamation des Second Empire. Am 7. November verfügte ein Senatsbeschluß die Wiederherstellung der Kaiserwürde. Louis-Napoleon Bonaparte wurde zum Kaiser der Franzosen; die Kaiserwürde wurde seiner direkten und ehelichen Nachkommenschaft in männlicher Linie, im Falle des Fehlens direkter männlicher Nachkommen seinen Adoptivsöhnen übertragen. (Louis-Napoleon war zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratet.) Am 27. November 1852 stimmten 7,8 Millionen Franzosen in einem Plebiszit der Errichtung des Zweiten Kaiserreichs zu; 253.000 stimmten dagegen; über 2 Millionen enthielten sich. Ein weiterer Senatsbeschluß paßte am 25. Dezember die Verfassung vom 14. Januar 1852 den neuen Bedingungen an.
    Die Geschichte der Zweiten Republik war damit auch formell abgeschlossen. So wie das Empire Napoleons I. aus der Revolution von 1789 hervorgegangen war, so mündete die Pariser Februarrevolution von 1848 in das Zweite Kaiserreich unter Louis-Napoleon, dem Neffen des ersten Kaisers. Es sollte knapp 18 Jahre bestehen – sehr viel länger als das Erste Kaiserreich, das es auf zehn Jahre brachte, und die Zweite Republik, die noch keine vier Jahre alt war, als der Staatsstreich Louis-Napoleons am 2. Dezember 1851 ihren Untergang besiegelte.[ 95 ]
    Von Erfurt nach Olmütz: Preußens gescheiterte Unionspolitik
    Die deutsche Nachgeschichte der Revolution von 1848/49 war der Versuch Preußens, das nichtösterreichische Deutschland unter seiner Führung zu vereinigen, von den verfassungspolitischen Forderungen des Liberalismus aber nur das zu übernehmen, was mit dem Interesse der preußischen Monarchie vereinbar war. Schon am 3. April 1849, dem Tag, an dem König Friedrich Wilhelm IV. die Delegation der deutschen Nationalversammlung empfing, ließ Außenminister Graf Heinrich Friedrich von Arnim-Heinrichsdorff die deutschen Regierungen wissen, daß der König von Preußen bereit sei, an die Spitze eines deutschen Bundesstaates zu treten, der sich aus den Staaten bilde, die ihm aus freien Stücken beizutreten wünschten. Im Mai griff die preußische Regierung Heinrich von Gagerns Idee eines engeren und weiteren Bundes auf, stieß damit aber sogleich beim österreichischen Ministerpräsidenten Fürst Schwarzenberg auf strikte

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