Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Unter russischem Druck gestand Preußen am 2. Juli im Berliner Frieden Dänemark das Recht zu, den Deutschen Bund um eine Intervention mit dem Zweck einer Befriedung Schleswig-Holsteins zu ersuchen oder, wenn die Intervention nicht stattfand oder unwirksam blieb, selbst das Erforderliche zu unternehmen. Zwei Tage später bekannten sich die Großmächte Rußland, Großbritannien und Frankreich im Ersten Londoner Protokoll zur Integrität des dänischen Gesamtstaates im derzeitigen Umfang einschließlich der Rechte des dänischen Königs als Herzog von Schleswig und Holstein. Außerdem unterstützten die drei Mächte die Absicht des kinderlosen Königs Friedrich VII., die Erbfolge so zu regeln, daß die Integrität des Gesamtstaates gewahrt und die besonderen Beziehungen Holsteins zum Deutschen Bund davon unberührt blieben. Diesem Protokoll trat Österreich bei, Preußen jedoch ebensowenig wie die (von der früheren deutschen Zentralgewalt im März 1849 eingesetzte) Statthalterschaft in Kiel.
Nach neuerlichen Kampfhandlungen, die mit einer Niederlage der schleswig-holsteinischen Truppen am 25. Juli bei Idstedt ihr vorläufiges Ende fanden, schickte sich der Rumpfbundestag an, die von Dänemark beantragte Intervention gegen die (inzwischen auf Holstein beschränkte) Statthalterschaft vorzubereiten. Auf Drängen von Radowitz, der am 26. September 1850 das Amt des preußischen Außenministers übernahm, erklärte König Friedrich Wilhelm IV. daraufhin alle Beschlüsse des Rumpfbundestages für nichtig. Am 25. Oktober traf dieser die Entscheidung, vor der der preußische König besonders gewarnt hatte, weil sie jeder Rechtsgrundlage entbehre: Er beschloß die Intervention gegen die Statthalterschaft in Holstein.
Just um dieselbe Zeit trieb ein anderer Konflikt, in dem die beiden deutschen Großmächte gegensätzliche Positionen bezogen hatten, seinem Höhepunkt zu: ein Verfassungsstreit zwischen dem Kurfürsten und den Landständen von Hessen-Kassel. Die Regierung von Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte im Mai 1850 gegen den Protest der liberalen Opposition den Austritt des Landes aus der von Preußen geführten Union erklärt. Anfang September löste der Kurfürst die Kammer auf, erließ eine verfassungswidrige Steuernotverordnung und verhängte den Kriegszustand über das Land. Da sich die Armee, die Justiz und die Verwaltung auf die Seite der protestierenden Landstände stellten, wandten sich Kurfürst und Regierung mit einem Ersuchen um Hilfe an den Bundestag. Der Rumpfbundestag faßte daraufhin, einem Antrag Österreichs entsprechend, am 21. September einen Beschluß, der den Landständen das Recht auf Steuerverweigerung absprach und den Kurfürsten aufforderte, mit allen ihm zustehenden Mitteln seine Autorität wiederherzustellen. Preußen hingegen ergriff die Partei der Landstände, wobei es darauf hinwies, daß der Austritt aus der Union vertragswidrig, Kurhessen also noch immer Mitglied der Union sei. Da der Kurfürst sich im Lande nicht durchzusetzen vermochte, beschloß der Rumpfbundestag am 16. Oktober die Bundesexekution und zehn Tage später das Einrücken der Bundestruppen in Kurhessen. Beide Konflikte, der um Kurhessen und der um Holstein, nahmen damit im Oktober 1850 eine Wendung, die eine militärische Konfrontation zwischen Preußen und Österreich fast unausweichlich erscheinen ließ.
Tatsächlich kam es, nachdem sowohl Bundestruppen wie preußische Verbände in Kurhessen eingerückt waren, am 8. November bei Bronnzell in der Nähe von Fulda zu einem kurzen Schußwechsel zwischen bayerischen und preußischen Truppen, der auf Grund des Eingreifens von Offizieren beider Seiten aber rasch abgebrochen wurde. Den großen Krieg verhinderte das Einlenken Friedrich Wilhelms IV., der sich damit innerem und äußerem Druck, dem der altpreußischen Konservativen und dem des Zaren Nikolaus I., beugte. Am 29. November 1850 unterzeichneten der preußische Außenminister Otto von Manteuffel und der österreichische Ministerpräsident Fürst Schwarzenberg die Olmützer Punktation. Darin vereinbarten die beiden Mächte, die kurhessische wie die holsteinische Frage einvernehmlich durch alle deutschen Regierungen zu regeln. In einem wie im anderen Fall entsprachen die Vorgaben des Vertrages weitgehend den österreichischen Vorstellungen. Über die Reform des Deutschen Bundes sollte unverzüglich auf Ministerkonferenzen in Dresden verhandelt werden. Österreich gelang es nicht, die von Schwarzenberg gewünschte Aufnahme
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