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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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schon bald herausstellen sollte, sein letzter.
    In Norddeutschland rief die Kriegserklärung einen Sturm der Begeisterung hervor. Als der Norddeutsche Reichstag am 21. Juli über die von der Regierung beantragten Kriegskredite abzustimmen hatte, gab es keine Gegenstimmen. Auch die drei Abgeordneten des lassalleanischen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins mit ihrem Vorsitzenden Johann Baptist von Schweitzer an der Spitze und ein aus ihren Reihen zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei übergewechselter Abgeordneter stimmten für die Vorlage; Bebel und Liebknecht enthielten sich mit der Begründung, daß dies ein dynastischer Krieg sei, der Stimme. In Süddeutschland schlug die Stimmung nach dem Vorfall von Bad Ems um. Die Regierungen in Karlsruhe, München und Stuttgart erkannten zwischen dem 12. und dem 15. Juli den Bündnisfall an. Die Bayerische Patriotenpartei spaltete sich in Befürworter und Gegner der Kriegskredite. In Württemberg stellten sich die Demokraten demonstrativ auf die Seite Preußens. Anfang August sah man in Stuttgart kaum noch schwarz-rot-goldene Fahnen, dafür um so häufiger die schwarz-weiß-rote Flagge der Kriegs- und Handelsmarine des Norddeutschen Bundes.
    Nachdem sämtliche Kammern der süddeutschen Staaten ihren Regierungen die geforderten Kriegskredite bewilligt hatten, stand am 19. Juli fest, daß ein geeintes Deutschland gegen Frankreich in den Krieg ziehen würde. Ein Eingreifen fremder Mächte war nicht zu befürchten. Zar Alexander II. blieb bei seiner preußenfreundlichen Politik, wahrte wohlwollende Neutralität und hielt Österreich in Schach. Die Neutralität Großbritanniens förderte Bismarck dadurch, daß er der Londoner «Times» einen Vertragsentwurf des französischen Botschafters Benedetti vom August 1866 zuspielte, in dem dieser den Wunsch Frankreichs nach einer Annexion Belgiens zu Protokoll gegeben hatte. Militärisch erwiesen sich die deutschen Truppen im August 1870 den französischen überlegen. Der spektakulärste Sieg war der von Sedan am 2. September 1870, eine Meisterleistung des preußischen und nunmehr auch deutschen Generalstabschefs Helmuth von Moltke. Napoleon III. selbst ordnete die Kapitulation der von allen Seiten eingeschlossenen Armee des Marschalls Mac-Mahon an.
    Der Kaiser wurde bei Sedan gefangen genommen. Der Degen, den er Wilhelm I. Übergab, war aber nur seiner, nicht der Frankreichs. Am 4. September wurde in Paris das Palais Bourbon, der Sitz der Nationalversammlung, von Demonstranten gestürmt, die Regierung Napoleons III. gestürzt und die Kaiserin Eugénie zur Flucht nach England genötigt. Im Hôtel de Ville konstituierte sich eine «Regierung der nationalen Verteidigung» unter General Trochu mit Jules Favre als Außenminister und Léon Gambetta als Innenminister. Die erste Amtshandlung war die Proklamation der Republik. Der deutsche Vormarsch ging währenddessen weiter. Am 18. September begann die Belagerung von Paris. Am 23. September kapitulierte Toul, vier Tage später Straßburg. Am 7. Oktober verließ Gambetta im berühmten Heißluftballon die Hauptstadt und rief von Tours aus die Franzosen zum nationalen Widerstand auf. Ende Oktober fiel die Festung Metz in deutsche Hände.
    In Deutschland wurde der Sieg von Sedan bejubelt, ja in den Rang einer weltgeschichtlichen Wende und eines Gottesurteils erhoben. Die militärischen Erfolge der deutschen Truppen verhalfen dem Ruf nach einem expansiven Kriegsziel, der Wiedergewinnung von Elsaß und Lothringen, zu stärkstem Widerhall in der öffentlichen Meinung. Früher und nachdrücklicher als im Norden wurde diese Forderung im Süden Deutschlands erhoben, wobei Liberale und Demokraten deutsche Sicherheitsinteressen gegenüber dem Nachbarn im Westen betonten, die Katholiken aber auch an die Veränderung der konfessionellen Gewichte im künftigen deutschen Nationalstaat zu ihren Gunsten dachten.
    Das schärfste Plädoyer für die Rückkehr der beiden Gebiete verfaßte Ende August 1870 ein nationalliberaler Wahlpreuße aus Sachsen, der Historiker Heinrich von Treitschke, in den von ihm herausgegebenen «Preußischen Jahrbüchern». Die Deutschen, schrieb er unter Berufung auf Ernst Moritz Arndt, wüßten besser als die durch das französische Leben verbildeten Elsässer selbst, was diesen fromme. «Wir wollen ihnen wider ihren Willen ihr eignes Selbst zurückgeben … Der Geist eines Volkes umfaßt nicht bloß die nebeneinander, sondern auch die nacheinander lebenden Geschlechter. Wir berufen

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