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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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trotz der finanziellen Unterstützung durch die 1860 gegründete Alliance Israélite Universelle und die jüngere, von dem Bankier Maurice de Hirsch ins Leben gerufene Jewish Colonization Association als gescheitert. Die zionistische Einwanderung begann um 1905 und hing eng mit den von den «Schwarzen Hundertschaften» organisierten Pogromen nach der russischen Revolution von 1905 zusammen. Diese «Zweite Alija» dauerte bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Zwischen 1904 und 1914 stieg die jüdische Bevölkerung in Palästina von 50.000 auf 80.000 an: ein geringer Zuwachs, verglichen mit den 850.000 osteuropäischen Juden, die in dieser Zeit in Nordamerika einwanderten.
    Für die weitere Entwicklung der Juden in Palästina aber waren die Jahre von 1905 bis 1914 eine Schlüsselperiode: In dieser Zeit wanderte ein großer Teil der Elite des späteren Staates Israel ein, darunter die ersten Ministerpräsidenten David Ben-Gurion und Levi Eschkol sowie die Staatspräsidenten Jitzchak Ben-Zvi und Salman Schasar. Nach 1905 entstanden die ersten Kibbuzim, die genossenschaftlich organisierten ländlichen Siedlungsmeinschaften mit kollektiver Wirtschafts- und Lebensweise. 1909 wurde die Stadt Tel Aviv gegründet, deren Name soviel wie «Frühlingshügel» bedeutet und der Titel der von Nahum Sokolov übersetzten hebräischen Ausgabe von Herzls «Altneuland» war. Hebräisch wurde entgegen den Bedenken des 1904 verstorbenen Herzl zur Sprache des jüdischen Gemeinwesens in dem noch immer unter türkischer Oberhoheit stehenden Palästina. Der frühe Zionismus war, wie Brenner urteilt, «eine nationale Bewegung mit kosmopolitischem Hintergrund»: eine Formel, die auf keine Gruppe so gut zutrifft wie auf die vielsprachigen jüdischen Intellektuellen, die zwischen 1905 und 1914 das Zarenreich verließen, um in Palästina den Juden jene freie Entfaltung zu sichern, die ihnen die Nationalisten nicht nur in Rußland, sondern in großen Teilen Europas nicht zuzugestehen bereit waren.[ 26 ]

Zerreißproben: Die innere Entwicklung der Donaumonarchie
    Das Wien, in dem Theodor Herzl studierte und schriftstellerisch und publizistisch zu wirken begann, war nicht nur die Stadt Sigmund Freuds, Hugo von Hofmannsthals und Gustav Klimts. Es war, politisch gesehen, bis zum Beginn der neunziger Jahre das Wien des «Eisernen Rings»: der Regierungszeit des Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe von 1879 bis 1893. Die Deutschliberalen hatten 1879 ihre beherrschende Stellung im Reichsrat verloren; unter Taaffe stützte sich die Regierung auf ein Kartell aus deutschen Klerikalen und Konservativen, Tschechen, Polen und Slowenen. Die Unabhängigkeit vom Liberalismus erleichterte dem Ministerium Taaffe eine Sozialpolitik, die der Bismarckschen in vielem ähnlich war und eine Unfall- und Krankenversicherung einschloß. Im Bereich des Arbeiterschutzes wurde Österreich früher aktiv als Deutschland, und auch bei der Einschränkung der Gewerbefreiheit durch Innungszwang und Befähigungsnachweis im Handwerk erzielte die cisleithanische Hälfte der Habsburgermonarchie einen zeitlichen Vorsprung vor dem Deutschen Reich. Einer anderen Art von Sozialprotektionismus wurden die Bauern teilhaftig: Durch eine Erbfolgeregelung erschwerte der Staat die fortschreitende Realteilung des Bodens.
    Der erstrebte Ausgleich zwischen den Deutschen und den slawischen Nationalitäten aber wurde in der Zeit des «Eisernen Rings» nicht erreicht. Eine Sprachenverordnung für Böhmen vom April 1880, die den Tschechen auch in deutschsprachigen Gegenden den Gebrauch ihrer Muttersprache im Verkehr mit Behörden und Gerichten erlaubte (und entsprechend sprachkundige Beamte und Richter erforderte), löste ebenso wie zwei Jahre später die Aufteilung der Universität Prag in eine deutsche und eine tschechische Hochschule wütende Proteste der Deutschen aus. Auf der anderen Seite konnte die Regierung Taaffe auch die nationalistischen Jungtschechen nicht zufrieden stellen: An ihnen vor allem scheiterten die 1890 aufgenommenen Ausgleichsverhandlungen. ähnlich verbissen entwickelte sich der Streit um die Sprachenfrage im deutsch-slowenischen Grenzgebiet im Süden der Steiermark, in Kärnten und Krain. Dazu kamen nationale Spannungen zwischen Deutschen und Italienern in «Welschtirol», zwischen Italienern und Slowenen im Küstenland um Triest, zwischen Italienern und Kroaten in Istrien und Dalmatien, zwischen Polen und Ruthenen in Galizien sowie, in der transleithanischen Reichshälfte,

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