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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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zwischen Krieg und Schreckensherrschaft
    Dem Nationalkonvent, der am 21. September 1792 zu seiner ersten Sitzung zusammentrat, gehörten 754, auf Grund des allgemeinen gleichen Wahlrechts für Männer gewählte Abgeordnete an. Dazu kamen noch 28 Mitglieder aus den Kolonien. Die Mehrheit stand links von der Legislative, «radikal» konnte man sie jedoch nicht nennen. Den rechten Flügel bildeten die 100 bis 150 gemäßigten Jakobiner, nach der Herkunft eines Teiles von ihnen später pauschal Girondisten genannt, mit Brissot an der Spitze. Etwa gleich stark waren die radikalen Jakobiner der Bergpartei, der Montagne, um Robespierre, Danton und Marat. Ihren Namen verdankte die Bergpartei der Tatsache, daß ihre Deputierten auf den höheren Rängen des Amphitheaters saßen, in dem der Konvent tagte. Die Montagnards waren entschiedene Zentralisten, die Girondisten hingegen wollten starke Departements und eine schwache Hauptstadt: Das war zunächst der Hauptunterschied zwischen den beiden «Parteien». Die restlichen Abgeordneten, die die breite Mehrheit stellten, schwankten unentschlossen zwischen Gironde und Montagne hin und her, was ihnen den abschätzigen Beinamen «Sumpf» einbrachte. In den ersten Monaten des Konvents hielten sie es mehr mit den gemäßigten Kräften, was den Girondisten den Status der Regierungspartei verschaffte.
    Die Hauptaufgabe des Konvents sollte die Ausarbeitung einer neuen Verfassung sein. Als diese am 24. Juni 1793 verabschiedet wurde, war bereits die Bergpartei an der Macht. Die Verfassung bestätigte den Beschluß des Nationalkonvents vom 25. September 1792, wonach die Französische Republik «eins und unteilbar» (une et indivisible) war; sie erweiterte die Menschen- und Bürgerrechte um das Recht auf Arbeit und auf Bildung; sie proklamierte das Prinzip der Volkssouveränität (le peuple souverain est l’universalité des citoyens français) und ordnete die vollziehende Gewalt (conseil exécutif) konsequent dem Willen des gesetzgebenden Körpers (corps législatif) unter. Obwohl die Franzosen ihr in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit zustimmten und obgleich sie der Konvent am 10. August 1793, dem ersten Jahrestag der Erstürmung der Tuilerien, offiziell verkündete, trat die «Verfassung des Jahres I» wegen des fortdauernden Krieges niemals in Kraft. Da die vorangegangene Verfassung vom 3. September 1791 knapp zehn Monate später, am 11. Juli 1792, einen Tag nach dem ersten Sturm auf die Tuilerien, von der Legislative faktisch außer Kraft gesetzt worden war, befand sich das Land also weiterhin im Zustand der Verfassungslosigkeit. Recht war, was der Konvent beschloß: ein Provisorium, durch das der Konvent seine eigene Existenz bis auf weiteres zu sichern vermochte.
    Die Frage, die den Konvent in seiner Frühphase mehr als alles andere beschäftigte und spaltete, war das Schicksal des Königs. Der Prozeß gegen Ludwig XVI. begann am 11. Dezember 1792. Drei Wochen zuvor waren in einem Geheimschrank in den Tuilerien Dossiers über Geheimverhandlungen zwischen dem König von Frankreich und den feindlichen Mächten gefunden worden: Material, das Ludwig als Verräter am Vaterland erscheinen ließ. Für die Jakobiner und erst recht für die Pariser Sansculotten stand von Anfang an fest, daß der König sterben mußte. Die meisten Girondisten wollten sein Leben retten und wurden daraufhin auf Robespierres Betreiben aus der Liste der Jakobiner gestrichen. Am 15. Januar 1793 stimmte der Konvent mit überwältigender Mehrheit für den Antrag, den König schuldig zu sprechen. Tags darauf folgte die namentliche Abstimmung über die Strafe: Von 721 Abgeordneten stimmten 387 für und 334 gegen die Todesstrafe. Von denen, die die Hinrichtung forderten, befürworteten 26, vorwiegend aus außenpolitischen Gründen, einen Strafaufschub. Für den sofortigen Vollzug sprachen sich am 16. Januar mithin 361 Mitglieder aus, während 360 dagegen waren.
    Als am 19. Januar nochmals gesondert über den Strafaufschub abgestimmt wurde, ergab sich eine Mehrheit von 380 zu 310 Stimmen gegen diese Lösung. Am 21. Januar 1793, vormittags gegen 11 Uhr, wurde «Louis Capet» auf der späteren Place de la Concorde durch die Guillotine enthauptet. Als ein Gehilfe des Henkers den Kopf des Königs den Massen entgegenhielt, antworteten diese mit Jubel und Hochrufen auf Nation und Republik.
    Der Gegensatz zwischen Frankreich und den europäischen Monarchien wurde durch die Hinrichtung Ludwigs XVI. vollends

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