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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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«Nieder mit dem Diktator! Nieder mit dem Tyrannen!»; der General wurde hin und her gestoßen und schließlich, einer Ohnmacht nahe, von einigen seiner Anhänger aus dem Saal gebracht.
    Hätte der Präsident der zweiten Kammer, Napoleons Bruder Lucien Bonaparte, nicht geistesgegenwärtig die Sitzung unterbrochen, wäre der Putsch am 10. November vermutlich gescheitert. Die Aufhebung der Sitzung gab dem Präsidenten des Rats der 500 die Chance, den Saal durch Truppen räumen zu lassen. Die militärische Aktion, die die Verschwörer hatten vermeiden wollen, verlief unblutig. Auf Betreiben von Lucien Bonaparte verschafften sich die Verschwörer sodann den Schein der Legalität: Nicht nur der Rat der Alten, sondern auch eine eingeschüchterte Rumpfversammlung des Rates der 500 stimmte der Einsetzung der provisorischen Regierung und der Vertagung der beiden Kammern bis zum 20. Februar 1800 zu. Die Rolle des primus inter pares unter den drei provisorischen Konsuln forderte Napoleon Bonaparte für sich, und weder Sieyès noch Roger Ducos machten ihm diesen Anspruch streitig.
    Auch in den Jahren zuvor hatte das Militär in innere Machtkämpfe eingegriffen. Aber am 18. Brumaire war dies anders. Die bewaffnete Macht trat nicht wie bei der Niederschlagung des Vendémiaire-Aufstandes von 1795 als Herrschaftsinstrument einer zivilen Regierung in Erscheinung, sie übernahm, in der Person Napoleon Bonapartes, selbst die Herrschaft. Die Politiker, die sich mit dem korsischen Offizier verbündet hatten, standen für ein bürgerliches Frankreich, das die Früchte der Revolution in voller Rechtssicherheit genießen wollte. Zu diesen Früchten gehörte auch der ehedem adlige oder kirchliche Grundbesitz, der in den ersten Jahren der Revolution in Nationalgüter umgewandelt und während der Inflation der Thermidorzeit von vermögenden Bourgeois aufgekauft worden war. Diesen Besitz vor Übergriffen der eigentumslosen Unterschichten zu sichern war den wohlhabenden Teilen des Tiers-état mittlerweile wichtiger als die unmittelbare Ausübung politischer Macht.
    Die Gesellschaft, der Sicherheit über alles ging, war ein Ergebnis der Schreckensherrschaft und des Thermidor. Da das Direktorialsystem mit seinen Wahlmanipulationen und Staatsstreichen dieses Bedürfnis nicht wirksam befriedigen konnte, mußte das Militär in die Bresche springen. Da an seiner Spitze ein volkstümlicher, mit dem Nimbus des Siegers ausgestatteter General stand, der sich in früheren Jahren sogar den Jakobinern angeschlossen hatte, konnte die neue Ordnung mit einem breiteren Rückhalt in der Gesellschaft rechnen, als ihn die kurzlebigen Direktorialregierungen gehabt hatten. Was sich im November 1799 vollzog, entsprach damit ganz der Vorhersage Edmund Burkes in seinen «Betrachtungen über die Revolution in Frankreich»: Aus den revolutionären Machtkämpfen werde das Militär als Sieger hervorgehen – an seiner Spitze ein politischer Heerführer, der nicht nur die Armee kommandierte, sondern die Gesetzgebung und den Staat insgesamt beherrschte.[ 27 ]
    Vom Ersten Konsul zum Kaiser: Napoleon Bonaparte
    Mit dem 18. Brumaire begann eine neue Ära: die napoleonische Zeit. Sie dauerte fast sechzehn Jahre, bis zum endgültigen Sturz Napoleons im Jahre 1815, und veränderte Europa radikaler als irgendein Ereignis seit der Reformation. Napoleon war am 15. August 1769 als Napoleon Buonaparte in Ajaccio geboren worden; die italienische Schreibweise legte er erst 1796, nach seiner Heirat mit Joséphine de Beauharnais, zugunsten des weniger fremdländisch klingen Namen «Bonaparte» ab. Zum Zeitpunkt seiner Geburt lag der Vertrag, durch den Genua Korsika an Frankreich abgetreten hatte, erst etwas über ein Jahr und die entscheidende Niederlage der korsischen Unabhängigkeitsbewegung gerade einmal drei Monate zurück.
    Der Vater, ein Advokat, der 1769 von der korsischen auf die französische Seite übergewechselt war, schickte Napoleon im Alter von neun Jahren auf ein Collège nach Autun. 1779 begann seine Ausbildung an französischen Militärschulen, zuerst in Brienne, dann in Paris. Als die Revolution ausbrach, war er Sekondeleutnant und der Selbsteinschätzung nach immer noch mehr Korse als Franzose. 1793 überwarf er sich mit der korsischen Unabhängigkeitsbewegung und schloß sich den Jakobinern an. Bei der Belagerung und Eroberung von Toulon kommandierte er, mittlerweile Hauptmann, im Auftrag des Konvents die Artillerie.
    Napoleon gehört zu jenen historischen Gestalten, von

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