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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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denen man mit Fug und Recht behaupten kann, daß die Weltgeschichte ohne sie einen anderen Verlauf genommen hätte. Um seine Zeit prägen zu können, mußte sich die Zeit in ihm verdichten. Das neue, aus der Revolution hervorgegangene Frankreich strebte nach Anerkennung durch alle Welt. Napoleon war die Verkörperung dieses Wunsches. Anerkennung brauchte er als junger Offizier schon deshalb, weil es sich durchaus nicht von selbst verstand, daß ein Anhänger der korsischen Freiheitsbewegung sich in der Zeit des Terrors in einen radikalen französischen Patrioten verwandelte. Um Anerkennung ging es auch, nachdem er 1797 in den Besitz der politischen Macht gelangt war. Nichts sprach am 18. Brumaire dafür, daß ein Mann von seinem Ehrgeiz über längere Zeit hinweg sich damit begnügen würde, primus inter pares in einem Triumvirat zu sein. Ebenso unwahrscheinlich war es, daß er, der ganz Europa beeindrucken wollte, sich mit dem Titel eines Konsuls auf Lebenszeit begnügen würde.
    Am 26. Juni 1813, als seine kometenhafte Laufbahn sich bereits ihrem Ende zuneigte, offenbarte Napoleon dem leitenden österreichischen Staatsmann, dem Fürsten Metternich, bei einem Treffen in Dresden, was seinem rastlosen Streben nach Ausweitung der französischen und der eigenen Macht zugrunde lag: das Bewußtsein fehlender Legitimität. «Eure Herrscher», erklärte der Emporkömmling dem Vertreter der alten Großmacht, «geboren auf dem Thron, können sich zwanzigmal schlagen lassen und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren; das kann ich nicht, ich, der Sohn des Glücks. Meine Herrschaft würde den Tag nicht überdauern, an dem ich aufgehört habe, stark und folglich gefürchtet zu sein.»[ 28 ]
    Napoleon Bonaparte war noch keine fünf Wochen im Amt des faktischen Chefs der provisorischen Regierung, als er am 13. Dezember 1799 von Kommissionen der beiden Kammern eine Verfassung beschließen ließ, die so auf ihn zugeschnitten war, daß er und nur er die Rolle des konstitutionellen Diktators ausüben konnte. Der auf zehn Jahre gewählte Erste Konsul Napoleon Bonaparte (die Verfassung nannte seinen Namen ausdrücklich) hatte die alleinige Gesetzgebungsinitiative; er ernannte die Minister, die Gesandten, die höheren Beamten und die meisten Richter. Die beiden anderen Konsuln (es waren nicht mehr Sieyès und Roger Ducos, sondern die namentlich genannten Jean Jacques Cambacérès und Charles François Lebrun) hatten lediglich beratende Aufgaben. Die gesetzgebende Gewalt lag bei zwei Kammern: dem Tribunat, der die Vorlagen des Ersten Konsuls beriet, und dem Gesetzgebenden Körper, der sie beschloß.
    Die Mitglieder der Kammer wurden von einem «Erhaltungssenat» (Sénat conservateur) auf Grund von Kandidatenlisten ausgewählt, die in einem mehrfach abgestuften, indirekten Verfahren aus allgemeinen Wahlen hervorgingen (wobei, abgesehen von den Frauen, nur Bankrotteure und Lohndiener nicht wahlberechtigt waren). Der Senat selbst war eine Notablenversammlung, die zu drei Vierteln vom Ersten Konsul ernannt wurde, zu einem Viertel ihre Mitglieder kooptierte. Den Konsuln stand ein Staatsrat zur Seite, der die Gesetze und Verordnungen vorbereitete. Für den Vollzug waren Minister zuständig. Die Bürgerrechte beschränkten sich auf das Petitionsrecht, den Schutz des Eigentums sowie den Schutz vor willkürlichen Verhaftungen und nächtlichen Hausdurchsuchungen.
    Am 25. Dezember 1799 wurde die Verfassung verkündet, obwohl das Plebiszit über sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abgeschlossen war. Das Anfang Februar 1800 verkündete Ergebnis war von Innenminister Lucien Bonaparte im Sinne seines Bruders, des Ersten Konsuls, kräftig aufgerundet worden. Demnach hatten von 5 Millionen Wählern über 3 Millionen mit Ja und nur 1562 mit Nein gestimmt. Auffallend war die hohe Zahl der Enthaltungen. Daß eine Mehrheit der Franzosen den vollendeten Tatsachen und damit der politischen Entmündigung des Volkes zugestimmt hatte, war nicht zweifelhaft. Von einer begeisterten Unterstützung für Napoleon Bonaparte konnte um die Jahreswende 1799/1800 aber noch keine Rede sein.
    Um sich in den Augen der Franzosen zu legitimieren, mußte Bonaparte Erfolge aufweisen, und darauf brauchte das Land nicht lange zu warten. Der Erste Konsul führte eine straff zentralistische Verwaltungsreform durch, sanierte die Finanzen und sorgte, was seinem Ansehen in den Unterschichten besonders förderlich war, für stabile Brotpreise. Im Interesse der nationalen

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