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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Arrondissements und Departements nur vermögende Bürger, und zwar auf Lebenszeit, gewählt werden konnten. Diese Notabeln repräsentierten fortan die französische Gesellschaft. Die besitzlosen Unterschichten waren von jeder Art wirksamer Mitbestimmung ausgeschlossen.
    Vom Prinzip der Volkssouveränität blieb damit, abgesehen von den Plebisziten, so gut wie nichts mehr übrig. Die neue Verfassung schränkte die Rechte von Tribunal und Gesetzgebendem Körper drastisch ein und erweiterte die Machtbefugnisse des Ersten Konsuls. Er allein durfte künftig die Mitglieder des Senats ernennen und über einen Sénatus-consulte eine Änderung der Verfassung herbeiführen. Eine der wichtigsten Bestimmungen des Senatsbeschlusses vom 4. August 1802 gab dem Ersten Konsul das Recht, dem Senat einen Bürger als seinen Nachfolger zu präsentieren. Eine quasimonarchische Erbfolge innerhalb der Familie Bonaparte nahm dieser Artikel nicht vorweg, aber er machte sie möglich. Von den staatsrechtlichen Ideen der Französischen Revolution hatte sich der Urheber des Sénatus-consulte, der Erste Konsul Napoleon Bonaparte, offenkundig definitiv losgesagt.
    Das bedeutendste gesetzgeberische Vorhaben des Ersten Konsuls war dagegen weithin dem Geist von 1789 verpflichtet: der Code Civil, auch Code Napoléon genannt. Das 1804 veröffentlichte Bürgerliche Gesetzbuch schrieb die Gleichheit vor dem Gesetz, den Schutz des erworbenen Eigentums, die Vertragsfreiheit und die Trennung von Staat und Kirche in einer sprachlichen und gedanklichen Klarheit fest, die es rechtfertigte, von einem Jahrhundertwerk zu sprechen. Das gilt auch dann, wenn man die alles andere als fortschrittlichen Teile des Gesetzbuches, etwa die massive Benachteiligung der Frauen im Wirtschafts-, Familien- und Scheidungsrecht, in Rechnung stellt.
    Der Code Civil prägte das Zivilrecht nicht nur in Frankreich, sondern auch in den Gebieten, die in der napoleonischen Zeit von Frankreich erobert wurden oder sich an Frankreich ausrichteten, auf lange Zeit, ja zum Teil bis in die Gegenwart. Napoleon war bis in seine letzten Jahre stolz auf das, was er als Rechtsreformer geleistet hatte. Mit seinem Namen ist jedoch auch ein großer rechtspolitischer Rückschritt verbunden: 1802, zwei Jahre vor dem Inkrafttreten des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches, machte er unter dem Eindruck anhaltender Sklavenunruhen auf Haiti die vom Konvent im Februar 1794 beschlossene Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien rückgängig und versetzte damit der Sache der Menschenrechte einen schweren Schlag.
    Außenpolitisch nutzte der Erste Konsul die Beendigung des zweiten Koalitionskrieges, um seinen Einfluß in Deutschland auszuweiten. Einen Ansatz hierzu enthielt die Bestimmung des Friedens von Lunéville, wonach die links des Rheins ansässigen oder begüterten erblichen Fürsten unter Mitwirkung Frankreichs für ihre Gebietsverluste rechts des Rheins zu entschädigen waren. Im Zusammenspiel mit Zar Alexander I., der im März 1801 Nachfolger seines ermordeten Vaters, Pauls I., geworden war, suchte Napoleon Bonaparte eine Neuordnung des Reiches im französischen Sinn voranzutreiben. Woran Paris wie St. Petersburg besonders lag, war eine Stärkung der mittleren Staaten wie Bayern, Württemberg und Baden auf Kosten der beiden Großmächte Österreich und Preußen. Als Mittel zur Erreichung dieses Zieles boten sich «Säkularisierung» und «Mediatisierung» an: Säkularisierung hieß Auflösung der geistlichen Reichsstände; Mediatisierung bedeutete Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit von Reichsstädten oder Besitzungen der Reichsritter.
    Die deutschen Mittelstaaten, die aus der Umverteilung nur Nutzen ziehen konnten, taten alles, um Napoleon Bonaparte und seinen Außenminister Talleyrand für ihre jeweiligen Anliegen zu gewinnen; den Höfen in Stuttgart und Karlsruhe kamen überdies enge verwandtschaftliche Beziehungen zum Zaren zugute. Das Ergebnis war der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803, der nach seiner Ratifizierung durch den Reichstag und den Kaiser in Kraft trat. Fast alle geistlichen Fürstentümer wurden aufgehoben und eine Rechtsgrundlage für die Säkularisierung von Kirchengütern geschaffen. Von den 51 Reichsstädten wurden 45 mediatisiert; nur Hamburg, Bremen, Lübeck, Frankfurt am Main, Nürnberg und Augsburg behielten ihren Status. Insgesamt hörten 112 Reichsstände auf zu bestehen. Die Folge war eine erhebliche Vergrößerung der Mittelstaaten, aber auch, von

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